0865 - Aus Tinte geboren
mächtiger.
Château Montagne gefiel ihm. Er konnte sich sehr gut vorstellen, hier sein Hauptquartier aufzuschlagen.
Bald war er nicht mehr unwissend, nein, durch sein Können würde er der Anführer sein.
Aber vorher musste er erst noch Zamorra besiegen.
Das musste zu schaffen sein, schließlich wurde er mit jeder Minute stärker. Er bekam seine Kräfte immer besser in den Griff.
Die dicke Frau wollte weg von hier. Das konnte der Tintendämon unmöglich zulassen. Er zeigte ihr mit einem mentalen Schlag, das er hier der Herrscher war.
Zamorra nutzte die Gelegenheit des Abgelenktseins und attackierte ihn stärker als zuvor. Diesmal fraßen sich die blauen Blitze wie energetische Würmer sogar in sein Inneres.
»Mag nicht die Blitze!«, beklagte er sich. »Will Gedankenenergie… und die Funkelscheibe haben!«
Und da passierte etwas, mit dem der Dämon nicht rechnen konnte. Ein ebenso kleiner wie unheimlich dicker Drache tauchte in der Küche auf.
Sofort spürte er, das der Drache ein weitaus härterer Brocken war.
Der Dämon versetzte Zamorra einen mentalen Schlag und bereitete sich auf den nächsten Gegner vor.
***
Dr. Bonmirelle wurde bei seiner Suche nach einem Telefon erst im Sekretariat der Schuldirektorin fündig. Die Sekretärin winkte ihn allerdings gleich in Marie Montalbans Büro durch.
»Sind Sie mit dem Test etwa schon fertig, Doktor? Was ist dabei herausgekommen? Ach, was frage ich, Sie werden ihn ja erst noch auswerten müssen. - Ach ja, haben Madame Saris und ihr seltsamer Begleiter Ihnen Schwierigkeiten gemacht?«
»Schwierigkeiten? Sie haben den Jungen einfach mitgenommen! Und der hat vorher jeden einzelnen Test der Reihe gekippt und vernünftige Antworten verweigert! Aber ich bekomme meinen Test noch, das verspreche ich Ihnen. Ich werde jetzt andere Saiten aufziehen!«
Er holte tief Luft. »Schwierigkeiten werden die anderen jetzt kriegen, und was für welche! Darf ich Ihr Telefon benutzen?«
»Bitte!« Sie deutete auf den Apparat. »Übrigens sagt man nicht ›kriegen‹, sondern ›bekommen‹. Frauen kriegen Kinder, alle anderen bekommen etwas.«
Er sah sie düster an. »Was glauben Sie, wie total egal mir das ist?« Dann drückte er die Null für ein Gespräch nach draußen und wählte das Polizeipräsidium an.
Er stellte sich vor und bat dringend um polizeiliche Unterstützung.
»Meinen Sie nicht, dass das eher eine Arbeit für einen Gerichtsvollzieher ist?«, wurde er gefragt.
»Mitnichten! Bei dem Schüler, seiner Mutter und höchstwahrscheinlich auch ihrem Begleiter handelt es sich um Briten. Da hat ein Vollstrecker wohl kaum die nötigen gesetzlichen Vollmachten. Ganz abgesehen davon, dass ich erst einen Staatsanwalt finden müsste, der eine entsprechende Verfügung erlässt. Und die Vollstrecker unserer Grande Nation sind doch ohnehin schon mit Arbeit überlastet. Ich müsste also wochenlang warten. Nein, es muss schnell gehen. Gefahr im Verzug! Es besteht die Möglichkeit, dass sie den Jungen außer Landes bringen.«
»Womit die Angelegenheit ja erledigt wäre«, sagte der Beamte trocken.
»Monsieur, diese psychologische Untersuchung wurde vom Schulamt angeordnet.«
»Sie wollen wohl keine Ruhe geben. Na gut, ich stelle Ihnen einen Beamten zur Seite. Er wird aber eher repräsentieren als sonst was tun. Ich möchte keine diplomatische Verwicklung mit den Briten. Dann rollt nämlich mein Kopf, nicht Ihrer.«
»Sie kapitulieren also vor dem Erbfeind?«
»Sagen Sie, Doktor, in welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich? Kommen Sie zum Präsidium und holen Sie den Beamten ab.«
Die Verbindung brach zusammen.
Langsam legte auch Dr. Bonmirelle den Hörer auf. »Ignorant«, murmelte er wütend.
»So sind sie eben, die Beamten«, sagte Madame Studienrat Montalban. »Immer die Hand offen, wenn es um Gehalts- und Pensionserhöhungen geht. Aber wenn sie mal was tun sollen, sind sie stinkfaul.«
Dabei übersah sie großzügig, dass sie selbst und Bonmirelle ebenfalls im Staatsdienst standen…
***
»Du hast was geschaffen? Einen Dämon aus Tinte?« Nicole Duval blieb auf der Treppenstufe stehen. Sie wusste im ersten Augenblick nicht, ob Rhett sie mit seiner Auskunft narren wollte. Das bewies ihre nächste Aussage: »Der erste April ist leider schon eine ganze Weile vorbei…«
»Aber wenn ich's doch sage, dass es so ist«, verteidigte er sich. »Glaub mir doch, ich lüge dich nicht an.«
Nicole verzog den Mund und schüttelte den Kopf, während sie wieder die Treppe
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