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0866 - Die Herrin der Raben

0866 - Die Herrin der Raben

Titel: 0866 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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angespannten Eindruck. Franziskus hätte es auf den lauernden Schwarzen Tod geschoben, doch der Augustiner wusste es besser. Die Kaiserin ärgerte sich seit Wochen mit Kaiser Leopold I. herum. Beide waren sich nicht sonderlich grün und rasselten immer wieder wegen Kleinigkeiten zusammen. Dabei behielt die temperamentvolle Eleonora öfters mal die Oberhand gegen den philosophisch ausgerichteten, feingeistigen Leopold, der ursprünglich für den geistlichen Stand vorgesehen war und nur deswegen zum Kaiser gekrönt wurde, weil sein Bruder Ferdinand vorzeitig gestorben war.
    »Diese ewige Streiterei ist sicher von Vorteil für unser Anliegen«, hatte Abraham a Sancta Clara gemeint.
    Der Augustiner-Barfüßer schilderte in allen Einzelheiten, was ihnen in den letzten Tagen widerfahren war.
    Die Kaiserin starrte ihn an. »Verzeiht mir, Prediger, aber was ihr Uns da erzählt, ist starker Tobak. Und wärt nicht ihr es, Abraham, Wir würden euch keinerlei Glauben schenken. Wir ahnen auch bereits, was ihr von Uns begehrt.«
    »Ja, Kaiserliche Hoheit. Wir müssen unbedingt die heilige Kreuzpartikel haben. Nur mit diesem Stück Holz, das vom Kreuze Christi selbst stammt, können wir das Unheil bekämpfen.«
    Kaiserin Eleonora überlegte einen Moment. Dann seufzte sie. »Es war Uns durchaus bewusst, dass es sich bei der Gräfin von Waldstein um eine widerliche Hexe handelt. Doch Wir haben wohl zu lange gezögert, sie zu bekämpfen, da sie eine Tochter des Kaisers und somit von edelstem Geblüt ist. Nun muss es aber sein.«
    Eleonora Gonzaga erhob sich, nickte den beiden Mönchen zu und verließ den Raum. Fünf Minuten später war sie zurück. Sie trug eine Schatulle aus purem Gold. Als sie sie öffnete, verschlug es Bruder Franziskus den Atem. Ein unterarmlanges Kristallkreuz lag darin, das in einer Brillantkrone auslief. Ein etwa fingerlanges Holzstück war in den Querbalken des Kreuzes eingelassen, in Gold und Silber gefasst und mit kostbaren funkelnden Steinen verziert.
    Die Kaiserin hob das Kreuz vorsichtig aus der Schatulle und küsste es. »Die heilige Kreuzpartikel ist einer der wertvollsten Schätze des Hauses Habsburg. Kaiser Leopold würde es niemals hergeben. Doch Wir sehen die Notwendigkeit dazu. Nehmt es also getrost entgegen, bereitet der Hexe und der dämonischen Pest damit ein Ende und bringt es Uns danach wieder unversehrt zurück.«
    Abraham a Sancta Clara nahm die Reliquie ehrfürchtig entgegen und küsste sie innig. Die Mönche bedankten sich und gingen auf die Jagd.
    Der Augustinermönch spannte alle Freunde und Bekannte ein, die er besaß. Vier Tage dauerte es, bis sich der erste Erfolg einstellte. Phillip Beutler, der Wirt eines Gasthauses namens »Haus zum Rüden« direkt am Graben, stellte fest, dass sich die Raben sehr häufig über der angeschlossenen Schänke massierten und dort viele Stunden lang in großen Scharen anzutreffen waren.
    Abraham und Franziskus beobachteten den Vorgang und stimmten mit dem Wirt überein. Nach drei Tagen wussten sie sogar, dass die Raben mit einem jungen, ungepflegt gekleideten Mann kamen, fast ein Knabe noch, und wieder wegflogen, sobald er die Rüden-Schänke verließ.
    »Das ist die Hexe, gewiss«, stellte Abraham a Sancta Clara erregt fest. »Sie verkleidet sich und klebt sich einen Bart ins Gesicht, aber die knabenhafte Figur, die, wenn man's genau betrachtet, die einer Frau ist, verrät sie endgültig.«
    Sie passten die Gräfin ab, als sie spät in der nächsten Nacht die Schänke verließ. Ein eiskalter Wind trieb dichte Flocken durch Wiens Gassen, und selbst der versteckteste Winkel bot kaum Schutz. Der Schnee lag wadenhoch, außer ein paar streunenden Hunden und späten Zechern ging niemand mehr durch die Straßen. Die Hexe schlug den Mantelsaum vors Gesicht.
    Abraham und Franziskus, die die Schänke schon vor einer Stunde verlassen hatten und seither bitter froren, lösten sich aus dem Schatten eines Erkers. Sie traten neben die Hexe. Der Augustiner umklammerte dabei mit festem Griff die heilige Kreuzpartikel, die er unter dem weiten schwarzen Mantel verborgen trug.
    »Auf ein Wort«, sprach Abraham die vermummte Gestalt an, die mindestens zehn Krüge Weißbier im Wanst hatte.
    Die Gräfin von Waldstein hielt inne. »Seid ihr Räuber, die sich als Mönche verkleidet haben?«, fragte sie frech, obwohl sie den Augustiner genau kannte. »Dann seid ihr bei mir falsch. Ich bin arm, bei mir gibt es nichts zu holen. Zudem bin ich wehrhaft. Seht euch also vor.«
    Sie

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