0867 - Die Pesthexe von Wien
schützt vor dem Bösen?«
»Exakt.«
»Hm. Dann hatte unser Japaner hier wohl eine ganze Menge Glück.«
»Wie bitte?«
»Erzähle ich Ihnen, wenn wir wieder zurück sind. Und was hat es mit dem Winken auf sich?«
»Nun, wenn die Maneki Neko ihre rechte Pfote hebt, verheißt das Wohlstand. Die linke Pfote dagegen soll mehr Besucher bringen. Je höher die Pfote angehoben ist, desto größer die Wirkung. Welche Pfote hob denn Ihre Katze?«
»Die rechte. Und zwar so hoch, dass sie sich beinahe die Schulter ausgerenkt hat.« Nicole kicherte leise. »Aber das hat mit der Dämonenabwehr wohl weniger zu tun. Hat die Münze in ihrer Pfote eine Bedeutung?«
»Ja, die hat sie in der Tat. Es handelt sich dabei meistens um eine goldene Münze, eine Koban. Sie stammt aus der Edo-Zeit, hat einen Wert von zehn Millionen Ryou und unterstützt das Wohlstandbringen. Mehr kann ich Ihnen allerdings nicht berichten.«
»Danke, William, das ist doch schon was. Hat sich Merlin in der Zwischenzeit gemeldet? Oder Asmodis? Oder sonst jemand von unseren Freunden?« Nicole hatte William gebeten, alle möglichen Mitstreiter zu aktivieren. Sie telefonierte mindestens einmal pro Tag mit dem Château.
»Bisher niemand, Mademoiselle. So traurig es ist. Von Merlin gibt es nichts Neues, er befindet sich wohl immer noch in seiner Regenerationskammer, und niemand weiß, ob er noch lebt oder nicht.«
Zamorra und der Jungdrache Fooly hatten ihn dorthin gebracht, als sie ihn als Sterbenden fanden. Sie alle konnten nur hoffen, dass der alte Zauberer überlebte. Lucifuge Rofocale hatte versucht, ihn zu ermorden, und er ging selbst sogar davon aus, es geschafft zu habend. [5]
»Gut, danke. Sollte sich jemand melden, stellen Sie ihn bitte umgehend durch. Egal, wann. Grüße an alle. Sie sollen sich keine Sorgen machen.«
Nicole unterbrach die Verbindung.
Sie traf auf einen erschöpften, aber sichtlich erregten Zamorra, der soeben seine letzte Heilung hinter sich gebracht hatte.
»Mensch, Nici, diese seltsame Katze hat mich auf einen Gedanken gebracht. Zu blöd, dass ich nicht schon längst darauf gekommen bin. Es ist mir eingefallen, als ich an das aus dem Amulettzentrum verschwindende Bild gedacht habe. Wie Wellen, Wasser.«
Nicole starrte ihn an. Sie schlug sich in jäher Erkenntnis die Hand vor die Stirn. »Aber ja. Dass wir nicht gleich drauf gekommen sind, wundert mich. Es hätte uns schon viel früher einfallen müssen. Das ist das eigentlich Tragische an der Sache. Vassago.«
»Ja, Vassago. Wir werden den alten Kämpen umgehend befragen. Wie immer wird er sich zuerst weigern und uns dann doch helfen. Aber sag, hast du etwas über die Katze in Erfahrung bringen können?«
Nicole erzählte es ihm. »Wir dürfen also davon ausgehen, dass es sich bei den Maneki Neko nicht um reinen Aberglauben handelt, sondern dass ganz handfeste Geister dahinterstehen. Zumindest einer.«
»Und der besitzt irgendeine Affinität zu Merlins Stern . Sehr seltsam.«
»Ja.« Nicole schaute ihren Liebsten sinnend an. »Und weil ich das ebenfalls tue, solltest du das nächste Mal mich an die Front lassen, wenn es wieder zu einem Kontakt kommt. Vielleicht kann ich die Gefühlswellen der Maneki Neko besser in verständliche Gedanken transferieren.«
Er nickte.
Sie sprachen sich mit Schwester Maria ab. Es war erst vier Uhr, genügend Zeit also, bis die Frühschicht kam. Ihre Verbündete versprach, sie alleine im Zimmer des langsam genesenden Japaners arbeiten zu lassen. Aus einem Schrank holte sie die erbetene Wasserschüssel.
Zamorra füllte sie mit Wasser. Dann beschwor er Vassago, den Prinzen der Finsternis, Herrscher über sechsundzwanzig höllische Legionen. Seit Äonen hoffte der Dämon, einst erlöst zu werden und stellte so seine Fähigkeit, Vergangenes und Zukünftiges sehen zu können, auch in den Dienst des Guten. Er hatte Zamorra schon öfters aus der Bredouille geholfen und war über den sogenannten »Spiegel des Vassago«, eine Wasserfläche von beliebiger Größe, zu beschwören.
Es dauerte nicht lange, bis auf der Wasseroberfläche ein menschlich anmutendes, düsteres Gesicht mit tückischen Augen, schwarzen, streng nach hinten gekämmten Haaren und einem Ziegenbart erschien. Es verzog sich wie unter starkem Schmerz, als der Dämon sein Gegenüber erblickte. »Zamorra. Nicht du schon wieder«, ertönte seine leise, klare Stimme. »Ich habe dir in letzter Zeit genug geholfen, das muss genügen. Ein weiteres Mal werde ich es nicht tun. Du
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