0867 - Die Pesthexe von Wien
die übermüdet aussehende Frau sie an. Doch Zamorra gelang es schnell, sie mit seinem Charme einzuwickeln.
Sie bat die beiden Franzosen ins Haus. Der Professor hatte ihr erzählt, er müsse sie dringend wegen eines auf ihrer Station an der Pest verstorbenen Angehörigen sprechen.
Zamorra erzählte der Schwester nun, dass sie Dämonen und anderes schwarzmagisches Kroppzeug jagten und eine Möglichkeit hatten, Befallene umgehend zu heilen. Zu ihrer beider Erstaunen reagierte Maria Baumgart keineswegs ablehnend, blieb aber offen misstrauisch.
»Ich mag keine Leute, die erzählen, sie hätten das Allheilmittel gegen Aids oder Krebs oder gegen sonst was gefunden«, sagte sie frei heraus. »Das ist Scharlatanerie, nichts sonst.«
»Und wenn wir es Ihnen beweisen, Schwester?«
»Na, da bin ich aber mal gespannt. Wissen's was, wir gehen jetzt hinunter auf die Straße und Sie demonstrieren mir das am ersten besten. Ansonsten können's umgehend wieder abzittern.«
Zehn Minuten später starrte Maria Baumgart den Professor, den wie von Zauberhand geheilten Jugendlichen und danach Merlins Stern aus großen Augen an. »Ganz und gar unglaublich«, flüsterte sie. »Wenn ich's net mit den eigenen Augen gesehen hätte…«
Ab da hatte der Professor einen neuen Fan. Er bat Maria Baumgart, ihn und Nicole auf die Isolierstation zu dem geheimnisvollen Japaner zu führen, der noch immer lebte.
»Ich bring Sie heute Nacht hin, Professor, kein Problem. Ich hab ohnehin die Stationsleitung und zudem Nachtdienst. Wissen's, dass der Japaner noch lebt, das hat vielleicht was mit dieser seltsamen Katze zu tun, die da immer mal wieder auftaucht.«
Maria Baumgart fröstelte plötzlich. »Ihnen kann ich's ja sagen, Sie glauben ja an Geister und so was. Dieses… dieses Katzenvieh ist ein Geist, so richtig durchscheinend. Wie ein Nebel an der Donau unten. Und es ist… na ja, riesig, so um die drei Meter und sitzt manchmal auf dem Bett von dem Japaner. Und es sieht aus, als würde das Katzerl lächeln und, halten's mich jetzt bittschön net für verrückt, mit der Pfote winken.«
»Sehr sympathisch.«
»Na ja, Frau Duval, gefährlich sieht des Katzerl wirklich net aus. Bloß halt unheimlich. Vielleicht hat das ja etwas mit der kleinen roten Porzellankatze zu tun, die auf seinem Nachttisch steht. Die winkt nämlich auch.«
Gegen drei Uhr morgens langten die beiden Dämonenjäger auf dem riesigen Gelände des Allgemeinen Krankenhauses an, das gleichzeitig als Universitätsklinikum der Stadt Wien fungierte. Per Handy lotste sie Schwester Maria zu einem Nebeneingang des mächtigen Zentralbaus mit den beiden Bettentürmen und führte sie in den östlichen davon, das sogenannte »Rote Bettenhaus«. Dort versorgte sie ihre »Gäste« mit Arztkitteln. Seit klar war, dass sich niemand an den Kranken ansteckte, musste keine Schutzkleidung mehr angelegt werden.
Schließlich standen sie im Einzelzimmer von Yuuki Hiroshi. Der stark abgemagerte Japaner, an zahlreiche Geräte angeschlossen, schlief friedlich. Zamorra bemerkte sofort die angesprochene rote Porzellankatze auf dem Nachttisch, In diesem Moment erschien die Gespensterkatze aus dem Nichts. Durchscheinend und rot leuchtend schwebte sie über Hiroshis Bett. Das riesige »Tier« schien tatsächlich zu lächeln und mit der Pfote zu winken.
»Wow«, flüsterte Nicole fast andächtig. Sie spürte die starke magische Kraft, die diese Erscheinung verströmte.
Im nächsten Moment verschwand die Katze wie ausgeblendet.
Und erschien übergangslos im Zentrum von Merlins Stern…
***
7. Mai 1679, Wald beim Augustinerkloster Maria Brunn, Wien:
Nachdem Abraham a Sancta Clara den Pestkelch der Labartu mit einer unfeinen List erstanden hatte, brachte er ihn umgehend zum Augustinerkloster Maria Brunn in der Nähe von Wien. Der wunderschöne, lang gezogene Barockbau mit dem schlanken Glockenturm diente ihm seit über siebzehn Jahren als Unterkunft, aber auch als geistige Heimat. Hier fühlte sich Abraham wohl, und es galt als beschlossene Sache, dass er im kommenden Jahr nächster Prior des Klosters wurde.
»Wir müssen den verderblichen Kelch auf alle Zeiten wegschließen, Freund«, sagte er eindringlich zu Franziskus. »Wer weiß, welcher böse Dämon noch darin steckt und den armen Pfarrer beeinflusst hat. Deswegen dürfen wir das böse Ding auch nicht mit hineinnehmen, um die Brüder nicht zu gefährden. Wir müssen ihn also außerhalb des Klosters, an einer Stelle, die niemals jemand betritt,
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