0867 - Die Pesthexe von Wien
zusammen mit Franziskus in die Stadt und weinte bitterlich ob des Grauens, das er zu einem gut Teil mitverschuldet hatte. Das hitzige Fieber wütete in allen Gassen und Häusern und verschlang die Menschen zu Tausenden.
»Nimm es hin, wie es dir der Herr auferlegt hat, Abraham«, tröstete ihn Franziskus. »Er prüft damit deinen Glauben.«
Der Augustiner umarmte seinen Zisterzienser-Freund und drückte ihn fest. »Danke, das werde ich dir niemals vergessen«, sagte er.
***
Gegenwart:
Verwirrt starrten Zamorra und Nicole auf das Zentrum des Amuletts. Der Professor schüttelte den Kopf, als könne er das Bild der seltsamen Katze dadurch vertreiben. Es blieb jedoch bestehen.
»Das… das gibt's doch nicht«, flüsterte Nicole. »Wie kann sich dieses Wesen einfach so in Merlins Stern einnisten? Was für eine Art Katze ist das? Noch eine Inkarnation Merlins?«
»Keine Ahnung«, gab Zamorra zurück. »Ich bin genauso fassungslos wie du.«
Schwester Maria stand nur stumm daneben und beobachtete. Zamorra konzentrierte sich auf Merlins Stern und versuchte so, Kontakt zu dem Wesen, das wahrscheinlich nur zufällig wie eine Katze aussah, aufzunehmen. Plötzlich strömten beruhigende Gedanken auf ihn ein, ein tiefes Glücksgefühl machte sich in ihm breit. Zu einer Kommunikation kam es allerdings nicht.
Die Katze winkte ein letztes Mal. Dann verschwamm ihr Bild im Amulettzentrum; genau so, als breiteten sich sanfte Wasserwellen darüber aus. Als das Bild abrupt erlosch, blieb die Katze verschwunden.
Der Professor schüttelte erneut den Kopf. Nachdenklich nahm Nicole die rot bemalte Porzellanfigur in die Hand und betrachtete sie von allen Seiten. »Wer bist du? Der weltliche Anker dieser geisterhaften Erscheinung?«
Noch immer schlief Yuuki Hiroshi ganz ruhig. Zamorra legte ihm das Amulett auf die Stirn. Er atmete auf, als auch bei ihm Merlins Stern seine Wirkung tat und die Pestbeulen fast umgehend verschwinden ließ.
Ein erleichtertes Seufzen drang aus Hiroshis Mund. Sein ganzer Körper entspannte sich, ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Doch er war zu geschwächt, um zu erwachen.
Die beiden Franzosen bedankten sich bei der immer noch staunenden Schwester Maria, in die plötzlich wieder Leben kam. Sie verlangte, dass der Professor auch bei anderen Patienten tätig wurde. Zamorra erklärte ihr, dass er nur ein gewisses Kontingent behandeln könne, ohne selbst Schaden zu nehmen. Die Schwester akzeptierte dies. Dann führte sie ihn zu einigen befallenen Kindern und ihren Elternteilen. Zamorra machte sich umgehend ans Werk.
Währenddessen zog sich Nicole in einen leer stehenden Nebenraum zurück. Über das TI-Alpha-Mobilphone rief sie in Château Montagne an und durfte gleich darauf einen für diese nachtschlafende Zeit erstaunlich munteren Butler William begrüßen.
»Guten Morgen, Mademoiselle Duval! Ich hoffe, dass es Ihnen auch weiterhin gut geht. Man hört ja schreckliche Sachen aus Wien. Wahrscheinlich übertreiben die Medien mal wieder ganz fürchterlich.«
»Tun sie dieses Mal nicht, William. Im Gegenteil. Tun Sie mir einen Gefallen und übermitteln Sie uns alles, was Sie über rote japanische Winkekatzen finden können.«
»Wie belieben zu meinen?«
»Mimen Sie jetzt bloß nicht den Begriffsstutzigen. Rote Katze, die winkt, klar? Ach ja. Und wenn sie irgendein Geldstück in der Hand hat, noch besser. Also hurtig, bitte. Und das Ganze bis vorgestern.«
Vor dem Fenster des kleinen Raumes wurde ein Bett mit einer Leiche vorbeigeschoben. Nicht die Erste, seit sie sich hier befanden. Arme Teufel , dachte Nicole mitfühlend.
Bereits zehn Minuten später rief der Butler zurück.
»Was denn, so schnell ging das?«
»Ja, Mademoiselle. Es war kein großes Kunststück. Ich darf Ihnen berichten, dass Sie einer Maneki Neko begegnet sind.«
»Toll. Einer was?«
»Maneki Neko. Das ist Japanisch und bedeutet so viel wie ›herbeiwinkende Katze‹. Dabei handelt es sich um einen japanischen Glücksbringer. Diese Figuren werden meist aus Porzellan oder Keramik her- und an allen möglichen Orten aufgestellt. Zum Beispiel in Restaurants und Geschäften, aber natürlich auch privat. Es gibt sie in den verschiedensten Formen, Farben und Größen.«
»Auch in Rot?«
»In der Tat, Mademoiselle. Am häufigsten sind weiße Maneki Neko zu finden. Diese Exemplare sollen Reinheit vermitteln. Dann gibt es rote und schwarze. Die schützen vor dem Bösen und vor Krankheiten.«
»Habe ich das richtig verstanden? Die rote
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