0868 - Die Toten-Krypta
beschreiben?«
»Leider nein, weil ich es selbst nicht kenne.«
»Dann muß ich auch passen.« Er senkte den Kopf. »Oder?« Wieder hob er den Kopf an. »Jetzt, wo Sie es gesagt haben, fällt es mir wieder ein. Da ist etwas gewesen, aber ich war noch nicht dort. Es steht außerhalb des Ortes, es ist ein ungewöhnliches Gebäude und wirkte auf mich wie ein auf dem Boden stehender Kirchturm ohne Basis. Da hat man eben nur den Turm gebaut.« Er zeichnete die Kuppel mit den Händen nach. »So hat der Bau ausgesehen.«
»Das ist die Krypta«, sagte Suko.
»Bitte was?«
»Eine Krypta.«
»Nein«, widersprach Absalom, »auf keinen Fall. Ich kenne Krypten. Sie sind Grabstätten, die in Kirchen liegen, und zwar unter der Erde. Dieser Bau ist nie im Leben eine Krypta.«
»Aber er könnte als Grabmal gedient haben«, sagte ich.
»Na ja, irgendwo schon. Ich habe nicht hineingeschaut und weiß nicht mal, ob Fenster vorhanden sind.« Er schüttelte den Kopf. »Warum ist das denn so wichtig für Sie?«
»Es könnte sein, daß wir in der Krypta die Lösung des Rätsels finden«, gab Suko zu.
»Aha.«
Shao stellte ihm noch eine Frage. »Sagt Ihnen der Name La Luna etwas?«
Absalom schaute sie starr an. Er wiederholte den Namen und schüttelte den Kopf. »Pardon, den habe ich nie gehört? Nicht in diesem Zusammenhang. Ich habe mich früher mal für Opern interessiert, da gibt es einen Grafen Luna in der Oper Troubadour, aber den werden Sie wohl kaum gemeint haben. Außerdem haben Sie ja von einer La Luna gesprochen, einem weiblichen Wesen.«
»Also nichts«, sagte Shao.
»Richtig.«
»Dann können wir gehen«, schlug ich vor.
»Wo wollen Sie denn hin?«
Ich lächelte Absalom zu. »Diese Krypta interessiert uns gewaltig…«
Der Mond wanderte weiter!
Noch immer streute er sein Licht auf die Erde, als wäre er auf der Suche nach irgendwelchen versteckten Gegenständen, die unbedingt gefunden werden mußten.
Näher und näher rückte er seinem Ziel…
Unbeweglich stand die alte Krypta in der Nacht. Ihr Dach oder Turm stach in den dunklen Himmel wie ein kompakter Wächter. Dunkle Steine bildeten die Außenmauern, die an der Spitze zusammenliefen, sich aber dort nicht ganz trafen, denn es war ein großer Kreis ausgelassen und mit Glas gefüllt worden.
Wie ein starres Auge schaute er in den Himmel, als wollte er die unzähligen Gestirne beobachten.
Der Mond blieb nicht stehen…
Sein Weg war vorgezeichnet, und wo sein bleiches Licht hintreffen sollte, da traf es auch hin.
Er suchte sein Ziel. Er wanderte, er schlich wie ein Dieb über das dunkle Tuch des Himmels.
Und er näherte sich mit seinem Schein der geheimnisvollen Krypta. In ihr war es noch immer still wie in einem tiefen Grab. Nicht das leiseste Geräusch war zu hören. Kein Rascheln, kein Schaben oder Flüstern. Das Innere wurde eingehüllt von einer nahezu kompakten Stille, die wie schweres Blei wirkte.
An einer Stelle erhielt das Kuppeldach bereits einen helleren Streifen. Nur schwach, aber doch erkennbar, wenn jemand genau hinschaute. Seidenweiche Hände schienen das Dach bestrichen zu haben, und das Licht des Mondes sickerte auch in das Gemäuer hinein.
Seine Kraft war da.
Noch nicht stark, erst im Aufbau begriffen, aber sie hielt die geheimnisvolle Krypta bereits umfangen, und die Kraft fing auch damit an, sich auszubreiten.
Noch floß kein heller Schein durch das Innere. Noch blieb das Glas oben in der Spitze dunkel, und doch war etwas geschehen, was von den üblichen Normen abwich.
La Luna spürte es!
Regungslos stand die Figur auf dem Sockel. Auch weiterhin den Kopf zurückgelehnt, von dem die Haare abstanden wie erstarrte Schlangenkörper. Es war ein dichter Wirrwarr, dunkler als der Körper, von keinem Windzug bewegt.
Dennoch tat sich an den Haaren etwas.
Die Spitzen zitterten plötzlich. Zuerst nur an einer Seite, aus der das Licht kommen würde. Dort bewegten sich die Haarspitzen wie von einem Lufthauch getroffen.
Immer näher rückte die Zeit.
Der Mond wanderte weiter.
La Luna würde erwachen…
***
Wir waren gegangen, und mir wurde beinahe schmerzhaft das Bild des Mondes oben am Himmel bewußt. Er sah so aus, als hätte er sich von dem übrigen Teil der großen Welt verabschiedet und wäre nur darauf bedacht, einen bestimmten Flecken Erde, den, auf dem wir uns aufhielten, zu bescheinen. Wir alle wußten - Absalom möglicherweise ausgeschlossen -, daß in diesem Erdtrabanten eine Kraft steckte, der auch Menschen nicht entfliehen
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