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087 - Der sentimentale Mr. Simpson

087 - Der sentimentale Mr. Simpson

Titel: 087 - Der sentimentale Mr. Simpson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Sache.
    Deswegen starrte Lester das Bild so grimmig an. Würde sie nachgeben? Konnte man die Briefe so auslegen, wie Lester es brauchte? Das vom Butler geknipste Foto ... Eine Rückenansicht, wenn auch zweifellos von Lady Alice. Aber es war einem Vetter doch wohl gestattet, den Arm um sie zu legen? Am nächsten Tag mußte er doch nach Indien fahren. Diese Probleme hatte Mr. Cheyne an der Themse mit sich herumgetragen und zu seiner vollen Zufriedenheit gelöst, bevor das Mädchen im braunen Mantel seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
    Lady Alice würde nicht kämpfen. Solche Frauen wehrten sich nie, vor allem dann nicht, wenn sie Geld genug hatten. Nicht intelligente Frauen. Alice konnte ebensogut einen Scheck über zehn wie über dreißig Pfund ausstellen. Profitieren würde, wie immer, der ungenannte Klient. - Es klopfte.
    »Da sind Sie ja endlich!«
    Er war erleichtert, sie zu sehen. Ihr Anblick verscheuchte die tristen Gedanken.
    »Was haben Sie mit dem Bild gemacht?« fragte sie enttäuscht. »Schade, ich hätte es mir gerne noch einmal angesehen!«
    »Fasan!« erinnerte er lächelnd. »Und Reispudding!«
    Sie bewunderte das Mobiliar, die Stiche, den Corot im Eßzimmer.
    Als sie am gedeckten Tisch Platz nahmen, sagte sie: »Sie sind sicher verheiratet? Irgendwie spürt man die weibliche Hand, wobei ich nicht Ihre beiden Zerberusse meine -«
    Mary schob den Servierwagen herein, und das Mädchen verstummte. Lester starrte es fasziniert an. Wirklich außergewöhnlich hübsch, dachte er, und Hände hat sie!
    Als Mary gegangen war, erklärte seine Besucherin: »Mir kommt das alles ganz unwirklich vor, wissen Sie. Wie in einem Tagtraum. Ich heiße übrigens Lois Martin. Diese Information steht Ihnen wohl zu.«
    »Ich bin Lester Cheyne ... Verzeihen Sie, daß ich mich nicht schon früher vorgestellt habe.«
    »Wer ist sie eigentlich - wenn diese Frage erlaubt ist?«
    »Wer? Ach so, Sie meinen die Fotografie? Eine - entfernte Bekannte ... Ich weiß nicht sehr viel von ihr, außer, daß sie mit einem sehr reichen und gemeinen Mann verheiratet ist. Er ist dreißig Jahre älter als sie.«
    »Warum hat sie ihn denn geheiratet?«
    »Ich sagte schon, er ist sehr reich.«
    Lois Martin seufzte. »Man sollte wohl solche Frauen verachten. Aber Geld bedeutet sehr viel; es spielt eben eine wesentliche Rolle. Man kann sich von der Masse freikaufen, und dort hält man sich nicht auf, ohne irgend etwas zu verlieren - Blüte oder Freiheit. Mit Geld kann man zumindest Isolierung erkaufen.«
    Er sah sie fragend an. Sie war sehr ernst geworden.
    »Und wen lieben Sie?« erkundigte er sich.
    »Vorerst nur Träume und alle schönen Dinge, die darin vorkommen.«
    Ihre linke Hand ruhte auf dem Tisch. Er berührte sie mit der seinen, und sie zog sie nicht fort. Weiter ging er nicht. Diese erstaunliche Ähnlichkeit mit Lady Alice verlieh der Sache einen besonderen Reiz. Eine Frau zu lieben und ihr Ebenbild zu erpressen - amüsant.
    »Sie gefallen mir«, meinte er. »Haben Sie etwas gegen Menschen, die auf den ersten Blick andere Leute sympathisch oder unsympathisch finden?«
    »Nein. Man wird entweder von dem anderen wie mit einem Magneten angezogen, oder das Gesicht bleibt eines unter vielen.«
    »Genau meine Ansicht«, sagte er zufrieden. »Ich springe am liebsten sofort in den großen Salon der Freundschaft - ich hasse es, an der Tür meinen Namen nennen, durch die Vorhalle gehen und jedesmal von neuem meine Vorzüge erläutern zu müssen. Bis man an einem vernünftigen Punkt angelangt ist, steht man als Langweiler da.«
    Als sie um acht Uhr aufbrechen wollte, hielt er sie nicht zurück.
    »Ich hoffe aber, daß Sie bald einmal wieder zu mir zum Abendessen kommen. Ich habe irgendwie das Gefühl, daß wir einander sehr viel nützen könnten - ich bin sehr prosaisch, nicht wahr? Aber ich habe etwas für junge Mädchen übrig, die nicht um jeden Preis ein angenehmes Leben führen wollen.«
    Der väterliche Ton stand ihm stets zur Verfügung, aber diesmal verbarg sich eine ernsthafte Absicht hinter seiner kleinen Ansprache. Ob und wie sie sich in seine Pläne einfügen ließ, mußte die Zeit erbringen.
    Sie zögerte. »Ich weiß nicht ... Möchten Sie denn wirklich, daß ich komme?«
    Er brachte sie mit einem Taxi nach Hampstead, und während der ganzen Fahrt lösten sich ihre Hände nicht voneinander.
    Er hatte also allen Grund, zufrieden zu sein, als er nach Northumberland Court zurückkam, wo er wieder über Lady Alice Farranay

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