087 - Dr. Satanas - Herr der Skelette
Jean war bei vollem Bewußtsein. »Wie
meinen Sie das, Doktor? Was habe ich getan?«
»Letzte Nacht, Jean. Sie hatten einen Auftrag. Ich bat
sie, mir das Kind zu bringen.«
●
»Kind? Welches Kind?« Man sah dem jungen, unrasierten
Franzosen an, daß er verzweifelt darüber nachdachte. »Das Kind von Edith Doler.«
»Edith Doler?« Jeans Augen wurden zu schmalen
Schlitzen. Wie ein heller, strahlender Fleck erschien Dr. Lebuson in seinem
weißen Kittel vor der verschwimmenden Dunkelheit.
Vor seinem geistigen Auge sah er eine Frau. Jung und
schön. Sie wohnte in einem alten Haus. Er sah einen Hinterhof – man konnte ihn
von der Stelle aus beobachten, wo er sich zwischen Wand und Schrank versteckt
gehalten hatte.
Dann hatten die Wehen eingesetzt. Jean hatte das
Mädchen beschattet…
Schwach waren die Eindrücke, die in seiner Erinnerung
aufstiegen, wie die Bilder eines längst vergessenen Filmes… fetzenhaft, düster…
wie ein Traum.
Vielleicht war es das auch?
Natürlich! Dr. Lebuson war kein Teufel.
Er träumte und mußte nur aufwachen!
Der Hinterhof… Die Mauer, die Mülltonnen… auch damit
war etwas… ein Mädchen verblutete… nach der Geburt. Auf dem Bett lag, genau
zwischen ihren Beinen, ein Skelett… es bewegte sich, es lebte… das mußte er
mitnehmen… Dr. Lebuson hatte es so von ihm verlangt…
Wie im Traum sah Jean sich selbst. Er rannte die
Treppe hinab, in der Hand einen Plastikbeutel, darin ein Skelett, das lebte.
Unten im Flur des fremden Mietshauses, in dem Edith Doler wohnte, verharrte er
kurz, trat hinaus. Vor der Tür stutzte Jean. Er hatte etwas vergessen.
Siedendheiß fiel es ihm ein: Das dunkelbraune Fläschchen mit dem Präparat!
Lebuson hatte ausdrücklich darum gebeten.
Jean erschrak. Er mußte zurück, aber das ging nicht
mehr. Polternde Schritte ertönten von oben. Der Fremde, breit wie ein
Kleiderschrank und mit Muskeln hart wie Stahl, stürmte die Treppe herab und
hinter ihm her.
Da ergriff Jean die Flucht.
Wirklichkeit und Erinnerung mischten sich. Hatte er
das, was ihm da alles schwach und verschwommen einfiel, wirklich erlebt?
Er zweifelte daran, doch es drängten sich ihm neue
Bilder auf.
Flucht durch den Hinterhof… Die Mauer… Groß und
schwarz… Beide Hände mußte er frei haben… in Panik warf er den Beutel weg und
nahm sich vor, später zurückzukehren, um ihn zu holen. Als oberstes Gebot galt:
Er durfte sich nicht fangen lassen und mit niemand zusammentreffen. Das hatte
Lebuson ihm nachdrücklich eingeschärft.
Er mußte den Verfolger abschütteln, entweder über die
Mauer in einen anderen Hof oder durch den Eingang in einen tiefliegenden
Keller.
Jean hatte Glück. Die Tür war nicht verschlossen. Im
Stockfinstern wartete er ab…
Weit entfernte Schritte… Der andere… Er suchte und
fand ihn nicht…
Später kehrte er zu der Stelle zurück, wo er den
Beutel in aller Eile hingeworfen hatte – er war verschwunden!
Erfolglos kehrte Jean in die Klinik zurück. Dort
wohnte er auch, denn er war alleinstehend und hatte keine Verwandten.
Jean schluckte.
»Was bedeutet das alles, Doktor?« wisperte er. »Mein
Verstand rebelliert. Es ist alles so anders,
ich begreife nicht…«
»Ich will es Ihnen sagen, Jean – wie immer, wenn etwas
zu Ende geht.«
»Zu Ende geht! Was meinen Sie damit?«
»Ich kann Sie nicht mehr gebrauchen! Aber Sie sollen
erfahren, was Sie eigentlich getan haben und was Sie erwartet. Die ganze Zeit
über waren Sie nicht bei klarem Verstand. Sie standen unter Hypnose.«
»Aber warum?«
»Um mir zu dienen, Jean. Eigentlich hatte ich eine
andere Todesart für Sie auserwählt, aber es ist noch so früh.« Er hatte die
Maske des sympathischen und freundlichen Arztes endlich fallenlassen und
grinste teuflisch: »Meine Lieblinge brauchen noch Schonung. Noch ein bißchen.
Ich werde sie woanders ausprobieren.«
Das Licht, dessen Quelle Jean nicht feststellen
konnte, dehnte sich aus. Grünlich-gelber Schimmer wanderte über die Decke, als
würde ein unsichtbarer Scheinwerfer auf einen anderen Punkt ausgerichtet. Wie
ein Magier bewegte Claude Lebuson seine rechte Hand in einer kreisenden
Bewegung über Jeans Kopf.
Jean spürte, daß ihm seine Muskeln wieder gehorchten.
Er konnte sich aufrichten, aber sein Unterkörper saß noch wie angeklebt auf dem
kühlen Leder, mit dem die Liege bespannt war.
Das gespenstische Licht floß näher.
Jean preßte die Lippen zusammen, ein dumpfes Stöhnen
entrann seiner Kehle. Dort saßen sie
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