087 - Dr. Satanas - Herr der Skelette
Korridor, der leer und dämmrig vor ihm
lag. Nur zehn Schritte vom Eingang des Labors entfernt war ein Durchlaß, der zu
den Verbrennungsöfen führte.
Die riesige technische Anlage der Klinik lag in einer
Versenkung. Man erreichte sie, wenn man drei schmale Stiegen hinabging.
Wie ein Hund trottete Jean daher. Man sah ihm an, daß
eine Flut von Stimmungen und Gefühlen in ihm wütete, daß er sehr wohl die
Gefahr begriff, in die er sich begab, gegen die er jedoch nichts ausrichten
konnte. Lebusons teuflischer Geist beherrschte ihn und war zu stark.
Niemand begegnete ihnen. Um diese Zeit – es war Mittag
– wurden auch keine Behandlungen durchgeführt. Alles war leer und verlassen.
Claude Lebuson drückte die Klinke einer grauen Tür.
Eine Hitzewand schlug ihnen entgegen.
Jean steuerte direkt auf die Tür eines Ofens zu.
»Aufmachen«, sagte Lebuson nur.
Jean gehorchte.
Die rote Glut spiegelte sich auf seinem bleichen
Gesicht. Wie ein Schlund lockte das Feuerloch. Lebuson sah sich kurz um. Er
hörte ein Geräusch. Schritte vom Ende des langen Korridors! Ein Lift rauschte. Mindestens zwei Personen
kamen…
»Man wird deine Leiche niemals finden! – Spring!«
Sekunden später schlugen die Flammen über Jeans Kopf
zusammen, und der teuflische Arzt schloß die Tür des Verbrennungsofens, aus dem
es für den Hypnotisierten kein Entrinnen mehr gab.
●
Dr. Lebuson drehte sich um und verließ den grausigen
Ort.
Auf dem Korridor begegnete er zwei Patientinnen. Sie
grüßten freundlich, und der Arzt grüßte zurück. »Na, meine Damen«, meinte er
leutselig. »Mittagsschlaf schon zu Ende?«
»Wir haben gar keinen gehalten«, sagte die eine Frau –
eine üppige Blondine mit Kußmund und herrlich schimmernden, gleichmäßigen
Zähnen.
»Bewegung ist besser«, fügte die andere hinzu. Ein
zierliches Persönchen, man sah ihr nicht an, daß sie in einer Woche bereits
niederkam.
»Um diese Zeit ist es im Schwimmbad am schönsten. Da
ist es leer.« Dr. Lebuson ging weiter auf den Lift zu.
»Er ist ein wunderbarer Mann«, schwärmte die Blonde
und sah ihm nach, wie er mit federnden Schritten zum Fahrstuhl lief. »Da könnte
selbst ich noch mal schwach werden. Drei Kinder hab ich – aber Dr. Lebuson
würde ich nicht abweisen.«
●
Instinktiv riß er die Arme auseinander.
Und das rettete ihm das Leben.
Iwan Kunaritschews Schwung wurde aufgefangen. Seine
Brust ragte weit aus dem zersplitterten Fenster, und die im Hof mit der
Konservenbüchse spielenden Kinder standen einige Sekunden wie vom Donner
gerührt da.
Sie hörten die Scherben auf den Boden fallen und sahen
den kräftigen Mann, der im Fensterkreuz hing und den nur seine blitzschnelle
Reaktion vor Schlimmerem bewahrt hatte.
Iwan schwang nach hinten um zu verhindern, daß sein
Gegner, der sich hier versteckt gehalten hatte, noch mal angreifen konnte. Der
Russe ging sofort in Kampfstellung, aber da war niemand mehr, den er auf
Distanz halten mußte.
Der Raum war leer.
Iwans Blicke irrten durch das Zimmer. Dann fing er an,
sich kleine Glassplitter aus dem Gesicht zu ziehen. Wie Stacheln steckten sie
in seinen Wangen, neben seinen Nasenflügeln und sogar im Ohrläppchen. Feine
Blutstropfen quollen aus den Wunden, doch im Spiegel neben dem Bett von Edith
Doler sah er, daß es weniger Schnittwunden waren, als er befürchtet hatte. Mit
einem sauberen Taschentuch tupfte er sich das Gesicht ab und pflückte weitere
Splitter aus seinem buschigen Vollbart.
»Bolschoe swinstwo«, fluchte er, »das allerdings hätte
ins Auge gehen können! Mein schöner Bart! Aber zum Glück ist nicht ein Härchen
abgeschnitten. Da soll nur einer sagen, man hätte kein Glück im Unglück!«
●
Es gab keinen Zweifel: Etwas Unsichtbares war
plötzlich aktiv geworden.
Ein Spuk? Ein Dämon?
Über das warum war sich Iwan Kunaritschew im klaren:
Er sollte daran gehindert werden, sein Ziel zu erreichen und seine
Nachforschungen fortzusetzen – seit er das Fläschchen gefunden hatte. Da
überlief es ihn siedendheiß. Er hatte es verloren. In dem Augenblick, als ihn
die unsichtbare Faust machtvoll in den Rücken stieß, hatte er es losgelassen.
Er sah die braunen Scherben neben denen der
Fensterscheibe auf dem Fußboden.
Das Fläschchen war zersplittert. Und merkwürdig: Von
der Flüssigkeit fand er nicht einen einzigen Tropfen, auch einen nassen Fleck
entdeckte er nicht.
Iwan sammelte die braunen Glasscherben auf und
wickelte sie in sein Taschentuch.
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