0870 - Tabitas Trauerhalle
auch überspitzt.
Das Schaben des Zündkopfes über eine Reibfläche, dann sah sie die einsame Flamme in der Dunkelheit, die auf einen Kerzendocht hinwanderte und diesen in Brand steckte. Der brennende Docht wanderte ebenfalls, weil Tabita die Kerze in die Hand genommen hatte und damit zu den anderen ging, um dort den Dochten Feuer zu geben.
Dabei summte sie irgendwelche Melodien vor sich hin, die sich weder fröhlich noch traurig anhörten, sondern neutral klangen. Allmählich erhellte sich die Scheune. Wenn Jane die Augen verdrehte und zur Decke schaute, sah sie die helleren Kreise, die sich dort abmalten und an den Rändern auch ineinander liefen, als sollte der Beobachterin mit ersten simplen Mitteln die Mengenlehre beigebracht werden.
Tabita ließ sich in ihrer Arbeit nicht stören. Der Reihe nach hielt sie die Flamme gegen die einzelnen Dochte, und die Kraft des Lichtes nahm immer mehr zu.
Auch Tabita selbst schälte sich deutlicher aus der Umgebung hervor. Jane konnte sie genauer erkennen und mußte zugeben, daß diese Person aussah wie ein düsteres, aber durchaus lebendiges Gespenst, das sich nur nicht geräuschlos bewegen konnte.
Sie war mit einem dunklen Kleid regelrecht ausstaffiert, das ihr sogar bis über den Kopf reichte.
Beim zweiten Hinsehen erkannte Jane, daß die Kopfbedeckung aus einem Schleier bestand, der vor dem Gesicht der Frau zitterte.
Den Sinn dafür wußte sie nicht. Wahrscheinlich sollte man ihr eigentliches Gesicht nicht zu genau sehen, und tatsächlich sah es hinter dem Schleier aus wie ein großes Stück Mozzarella-Käse. So bleich und gleichzeitig kompakt. Die eigentlichen Merkmale des Gesichtes verschwammen auch hinter dem Schleier.
Tabita zündete die letzten Dochte der auf dem kleinen Tisch stehenden Kerzen an. Danach hatte sie die Hände frei, lachte, hob die Arme, ließ sie wieder fallen und drehte sich mit einer schon tänzerischen Bewegung so um, daß sie Jane Collins anschauen konnte.
»Du also hast mich verfolgt.«
»Stimmt.«
Tabita legte den Kopf schief. Hinter dem Schleier bewegte sich ihr Mund. »Kennen wir uns nicht?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Du bist irgendwie anders…«
»Ach ja…?«
»Du strömst etwas aus.«
»Was denn?«
»Eine Kraft, die ich von früher her kenne. Ich habe damals meinen Weg noch nicht gefunden gehabt, doch jetzt weiß ich, wie ich ans Ziel gelange. Nur hatte ich vor einiger Zeit Schwierigkeiten damit, und so bin ich ziemlich unstet umhergewandert, habe viele Zirkel und Veranstaltungen besucht und bin auch hin und wieder zu diesen Hexentreffen gelangt. Da habe ich beinahe das gleiche gespürt wie hier. Nur in einem sehr verstärkten Ausmaß.« Sie fragte jetzt direkt. »Bist du eine Hexe?«
Jane antwortete nicht direkt. »Kann sein.«
»Hör damit auf. Bist du eine Hexe, oder nicht?«
»Ich interessiere mich dafür.«
»Tatsächlich? Auch für mich?«
»Ja.«
»Du hast mich verfolgt.«
»Stimmt.«
»Warum?«
Jane hatte gewußt, daß man ihr diese Frage stellen würde, und die Antwort lag bereits parat. »Ich sah dich gestern in einem Buchladen, und ich spürte sofort, daß du anders warst. Ich wollte mehr wissen, deshalb bin ich dir auch auf den Fersen geblieben.«
Pause. Dann die lauernd klingende Frage: »Die ganze Zeit über?«
»Ja.«
»Das glaube ich nicht. Das hätte ich bemerkt.«
Jane Collins befand sich in der glücklichen Lage, ihr Wissen aussprechen zu können. Sie dankte im nachhinein noch den Ausführungen des verletzten Jim Wayne. So berichtete sie von der Bombe und der Verfolgung, ohne zu erklären, wie es tatsächlich dazu gekommen war.
Tabita hörte zu. Im Licht der Kerzen schien ihre dunkle Gestalt zu schwimmen. Jane mochte auch den Geruch nicht, der sich streng und kalt auf ihr Gesicht gelegt hatte. Aber Tabita hatten die Worte nicht gepaßt. Sie fing damit an, sich unruhig zu bewegen, eine Folge ihrer Wut, und als Jane nichts mehr sagte, um Tabitas Reaktion abzuwarten, nickte die andere.
»Und jetzt bin ich hier«, fügte Jane hinzu.
Tabita knurrte leise. Zumindest hörte sich das Geräusch so an. »Du bist schlau, wie? Du kommst dir ungemein schlau vor, denke ich.«
»Nein, gar nicht. Du hast mich etwas gefragt, und ich habe dir geantwortet.«
»Du bist gefährlich!« zischelte Tabita.
»Warum?«
»Deine Neugierde gepaart mit dem, was in dir steckt. Da ist etwas, das ich deutlich spüre. Du siehst zwar aus wie ein Mensch, du bist auch ein Mensch, aber es steckt etwas in dir, das ich mir
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