0870 - Tabitas Trauerhalle
Augenblick des Erkennens traf sie ein Stich, als wollte dieser ihr Herz genau in der Mitte durchbohren. Sie hatte die Marke sofort erkannt. Es war ein dunkelgrauer Ford Caravan, ein Fahrzeug, das wegen seiner Farbe und auch wegen seiner Marke wohl kaum auffiel.
Aber es war ihr Wagen, es war genau das Auto, das Jane und John suchten.
Und sie hatte auch gesehen, daß eine Frau hinter dem Lenkrad saß. Sehr genau hatte sie die Person nicht erkennen können, aber Jane wußte mit sicherem Instinkt, daß der Caravan gefunden worden war.
Was tun?
Sie zermarterte sich in den nächsten Sekunden das Gehirn, während der Körper schon anders reagierte, denn sie rutschte bereits auf den Fahrersitz hinüber.
John war noch nicht zurückgekehrt. Wenn sie ihn suchte, verging Zeit, wenn sie wartete, ebenfalls.
Sie mußte die Sache selbst in die Hand nehmen.
Es glich schon einem Automatismus, als sie den Zündschlüssel drehte und dabei zuhörte, wie der Motor ansprang. Das geschah ohne Probleme, alles lief locker und sicher. Nur sie persönlich stand wie unter Strom, aber sie fuhr an.
Jane hatte dabei den Vorteil, vorwärts aus der Parklücke fahren zu können. So ließ sie den Rover auf die Straße rollen, lenkte ihn nach links und erhöhte das Tempo.
Sie sah den Caravan ein Stück weiter und bekam soeben noch mit, wie er in eine schmale Straße einbog.
Jane lächelte. Es lief blendend, es war alles okay. Es hätte nicht besser laufen können, aber sie vermißte John. Sie sah ihn auch nicht, obwohl sie an der Breitseite des Marktplatzes vorbeifuhr. Zu viele noch stehende Verkaufsbuden nahmen ihr die Sicht.
Jane erreichte die Abzweigung. Nur schaukelte der Rover über das Kopfsteinpflaster. Die Straße war eng, es durfte ihr niemand begegnen. Erst ein Stück weiter, wo die mächtigen Bäume standen und sich ein kleiner Platz ausbreitete mit einem Schulgebäude darauf, hatte sie freie Fahrt.
Auch Tabita.
Sie war verschwunden.
Jane ärgerte sich. Sie konnte nach rechts abbiegen, aber auch geradeaus fahren und entschied sich für die zweite Möglichkeit, denn diese Straße war breiter. Möglicherweise führte sie dem Ziel entgegen, und nichts anderes wollte sie.
Sie fuhr schneller.
Der Weg oder die Straße führte aus dem Ort raus. Gesäumt war die Fahrbahn von Obst- und Laubbäumen, die friedlich zusammenstanden. Friedlich fuhr auch der Caravan vor ihr. Jane konnte ihn gut erkennen, auch wenn sich sein Vorsprung vergrößert hatte, aber die Straße war gerade wie mit dem Lineal gezogen.
Sie blieb Tabita auf den Fersen. Jagdfieber hatte sie gepackt. Sie dachte auch nicht mehr an John Sinclair, denn Jane ging davon aus, daß sie auch etwas war. Es hatte sie schon immer geärgert, nach der Rückverwandlung im zweiten Glied zu stehen. Sie lechzte nach einer Chance, den Kräften der Schwarzen Magie einen Riegel vorzuschieben. Überhaupt bei Tabita, denn durch sie war der Stein eigentlich ins Rollen gekommen. Sie hatte Tabita gesehen, und sie hatte Tabita auch wieder gefunden. Ihr kam es vor, als hätte das Schicksal für sie einen besonderen Knoten geknüpft. Es lief gut, und sie freute sich auch im nachhinein über den Kontakt, den sie auf dem Parkplatz gespürt hatte.
Es war keine Täuschung gewesen. Da steckte in ihrem Innern tatsächlich noch ein Teil der alten Hexenmacht.
Weiterfahren. Den anderen Wagen nicht aus den Augen lassen. Und auch nicht so nahe auffahren, daß es auffiel, obwohl Jane damit rechnen mußte, daß die andere Bescheid wußte. Wenn sie Tabita gespürt hatte, dann konnte es umgekehrt ebenso der Fall gewesen sein.
Häuser sah sie keine mehr.
Auch die hohen Bäume verschwanden. Zu beiden Seiten der Straße waren Gräben in den Boden eingelassen worden. Aus ihnen wuchs Gras und dorniges Gestrüpp.
Die Straße machte einen Bogen nach rechts. Bevor Jane diese Kurve erreichte, hatte sie schon gesehen, daß der Ford auf einen anderen Weg gelenkt worden war.
Es war keine normale Straße, sondern ein schmaler Feldweg, der ein großes Stück Ackerland zerteilte und in eine Richtung führte, wo sich ein kleines Wäldchen befand.
War das Tabitas Ziel?
Jane traute sich nicht, eine direkte Verfolgung aufzunehmen. Sie wollte zunächst einmal schauen, wohin Tabita ihren Wagen lenkte. Das Ziel war das kleine Waldstück. Nach einer gewissen Zeit des Beobachtens glaubte Jane auch, noch etwas anderes zu erkennen. Ein kleines Haus, ein Gebäude, ein Gehöft.
Da mußte sie hin.
Gab es noch einen anderen Weg?
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