0872 - Der Templer-Friedhof
obwohl er den Eindruck hatte, es zu tun. Es waren stumme Schreie, nur Gedankenreflektionen, die durch seinen Kopf tosten, denn die beiden Männergesichter kannte er verdammt gut…
***
Unmöglich!
Es war der erste Begriff, der mir nach den Worten meines Freundes Bloch durch den Kopf schoß.
Der Abbé mußte sich einfach geirrt haben, es gab keine andere Möglichkeit. Er war einem trügerischen Schattenspiel zum Opfer gefallen. Da bewegte sich nichts. Kein Skelett, nicht der knöcherne Mörder, nicht…
»Er ist es, John!«
Ich schwieg und schaute zu, wie sich der Templer-Führer dem Eingangsspalt näherte. Er ging geduckt und hielt auch seine Waffe in der Hand.
Ich ging hinter ihm her, den Blick auf die Zeltwand gerichtet. Der Widerschein der Flammen gab ihr eine leichte Röte, aber sie war auch etwas dunkel, und eben hinter dieser Dunkelheit bewegte sich der Schatten so ungewöhnlich ungelenk.
Bloch öffnete die beiden Hälften. Der streckte zuerst den Kopf hindurch, zuckte kurz zurück, als könnte er das Bild nicht fassen, und schaute abermals nach.
Ich war größer als er. Deshalb hatte ich mich schräg hinter ihn gestellt. Der Spalt besaß die richtige Breite. Er gab uns eine freie Sicht, und beide konnten wir nur staunen.
Es war tatsächlich das silberne Skelett, das sich aus dem Feuer gelöst hatte.
Bloch blieb nicht stumm. Da ich dicht neben ihm stand, spürte ich sein Zittern. Ihn nahm das Geschehen mehr mit als mich, und er konnte seine Meinung auch nicht für sich behalten. Unsere Gesichter wurden ebenfalls rot angestrahlt, und aus dem Mund des Templers lösten sich die Worte wie abgehackte Fetzen.
»John, das ist eine Geburt. Zuerst der Tod, jetzt die Geburt. Mleh ist gestorben, aber das Skelett ist entstanden. Weißt du… weißt du, was das bedeutet?«
»Sicher. Mleh und das silberne Skelett sind ein- und dieselbe Person.«
Beinahe erleichtert atmete mein Templer-Freund auf. »Genau, John, genauso ist es. Sie sind einund dieselbe Person. Jetzt wissen wir endlich den Namen des Mörders, der Jagd auf die verräterischen Templer gemacht hat.«
»Und was nutzt es uns?«
»Ich weiß es nicht.«
Meine Gedanken arbeiteten. Ich konnte mich auch ablenken lassen, denn Mleh kümmerte sich nicht um uns. Wir waren Luft für ihn, obwohl er uns eigentlich längst hätte entdeckt haben müssen. Wir hatten den knöchernen Rächer in unserer Zeit gejagt, weil er einige Templer ermordet hatte. Um genau zu sein, waren es keine Templer, sondern ehemalige, die den Orden und dessen Ideale verraten hatten. Sie waren dann einen anderen Weg gegangen, weil sie der Pfad des Bösen gelockt hatte.
Doch irgendwann waren sie von der Reue gepackt worden. Sie hatten den Weg des Verderbens verlassen, sich aber nicht wieder in die alte Gemeinschaft der Templer eingegliedert, sondern hatten andere Aufgaben übernommen. Einer war wieder Priester geworden, ein gewisser Roger Crisson.
Der aber war von dem Knöchernen aufgespürt und ermordet worden. Nicht anders war es einem zweiten »bekehrten Verräter« ergangen, einem gewissen Joseph Lacombe, dessen Rettung auch wir nicht geschafft hatten. Lacombe war der Leiter eines Ferienheims für Kinder gewesen, auch eine soziale Aufgabe, der er sich nach seiner Umkehr gewidmet hatte.
Wie viele zurückgekehrte Verräter es noch gab, das wußten wir beim besten Willen nicht. Aber wir waren der Überzeugung gewesen, den knöchernen Rächer stoppen zu können. Es war uns nicht gelungen. Mit Hilfe des Knochensessels war er zurück in die Vergangenheit geflohen und zu dem geworden, was er einmal gewesen war, ebenfalls ein Verräter mit dem Namen Mleh. Wir hatten ihn dann ins Feuer gestoßen, und aus dem Prinzen war das silbrige Skelett geworden.
Also trugen wir indirekt die Schuld an den beiden Morden, die geschehen waren - oder…?
Ich war im Moment nicht in der Lage, mir darüber Gedanken zu machen, denn zuviel strömte durch meinen Kopf. Ich dachte auch an die Rückkehr in unsere Zeit und richtete mich gleichzeitig auf einen Kampf gegen den knöchernen Mörder ein.
Es sah nicht so aus.
Prinz Mleh kümmerte sich nicht um uns. Ich wußte nicht mal, ob er unsere beiden Gesichter gesehen hatte, denn mit einer zackig anmutenden Bewegung drehte er sich um und entfernte sich vom Ort seiner Geburt. Er bewegte sich in die Richtung, aus der wir gekommen waren, und ich flüsterte meine Frage.
»Rate mal, welches Ziel er hat?«
»Keine Ahnung.«
»Er wird zum alten Templer-Friedhof gehen
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