0872 - Der Templer-Friedhof
vor der Macht der Templer bekommen. Aber auch die Templer selbst werden auseinanderfallen. Nicht wenige von ihnen werden sich einen anderen Weg suchen. Sie wenden sich ab, und sie werden zu Sklaven des Bösen, denn sie stellen sich auf die Seite des gefährlichen Götzen Baphomet, und diese Zweiteilung wiederum hält an bis in meine Zeit, in der es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen kommen wird.«
Er konnte es nicht glauben und fragte mich: »Du… du… lügst auch nicht, John?«
»Leider nein.«
Der Verletzte schluckte. »Aber das ist dann schrecklich!«
»Ich weiß es.«
In den letzten Minuten hatte ich nicht auf den Abbé geachtet. Als ich den Kopf drehte, um Bloch anzusprechen, da sah ich ihn in einer ungewöhnlich angespannten Haltung vor dem Eingang stehen, den Blick auf das Zelttuch gerichtet.
Außerhalb brannte noch immer das Feuer. Es war kaum zusammengefallen, die Flammen tanzten auch weiterhin sehr hoch, und sie zeichneten sich durch den Stoff als bizarre Schatten ab, als wären dort mächtige Vögel dabei, ihre gewaltigen Schwingen auszubreiten, um Flugversuche zu starten.
Das konnte meiner Ansicht nach der Grund für die Haltung des Abbés nicht sein, und ich sprach ihn an, weil ich es genauer wissen wollte.
»Nicht jetzt, John.«
»Wieso?«
Er schaute mich kurz an. »Da ist etwas gewesen«, flüsterte er dann doch.
»Ja, der Widerschein und die Schatten.«
»Nein, etwas anderes.«
Seine Sätze hatten mich doch mißtrauisch gemacht, und ich erhob mich am Rand des Lagers.
Der Abbé war nicht einen Schritt zurückgegangen. Er hatte nur den Arm angehoben und wies mir mit dem ausgestreckten Zeigefinger die Blickrichtung an. »Schau genau hin, John, dann weißt du, was ich meine. Aber laß dir Zeit.«
Seine Stimme hatte so geklungen, daß ich einfach nicht anders konnte. In den folgenden Sekunden sah ich zwar die tanzenden Schatten, wußte jedoch nicht, was der Abbé damit gemeint hatte. Für mich war das alles normal.
»Siehst du etwas?«
»Nein.«
Bloch blieb geduldig. »Wenn möglich, sieh an den Schatten vorbei. Es gibt etwas, das aus dem Rahmen fällt. Dort bewegt sich jemand, aber nicht so hektisch wie der Widerschein der Flammen. Das sind normale und keine unnormalen Bewegungen.«
»Was ist…?«
Mir blieben die nächsten Worte buchstäblich irgendwo zwischen Hals und Lippen stecken. Denn plötzlich wußte ich, was der Abbé gemeint hatte. Das waren Bewegungen, wie sie eigentlich nur ein Mensch ausführen konnte.
Allerdings kamen mir Zweifel, denn kein normaler Mensch bewegte sich so eckig.
Die Motorik der Beine fiel mir auf. Sie paßte sich der der Arme eigentlich nicht an, so daß diese Gestalt jenseits der Zeltplane aussah, als könnte sie sich nicht so recht entscheiden, was sie nun tun sollte.
»John…«, Blochs Stimme war kaum zu verstehen. »Weißt du denn, wer das ist?«
»Im Moment noch nicht…«
»Ich will es dir sagen. Das ist… verdammt, das ist ein Skelett, das silberne Skelett, der knöcherne Rächer…«
***
In einer anderen Zeit erlebte Suko etwas mit, das er kaum glauben wollte. Er saß auf dem Sessel, als wäre er ein Teil von ihm. Er spürte seinen eigenen Herzschlag überlaut, obwohl er zugleich das Gefühl hatte, weit weg zu fliegen und irgendwo durch die Jahrhunderte zu gleiten, denn was er da sah, das geschah in einer Zeit, die sehr weit zurücklag. In einem hohen Feuer, umgeben von tanzenden Flammenzungen, bewegte sich eine Gestalt. Sie stieg aus den Ascheresten und glimmenden Holzstücken hervor, und hier traf der Vergleich eines Phönix aus der Asche tatsächlich zu. Da war ein Toter wieder lebendig geworden oder jemand, der eigentlich nicht richtig sterben konnte.
Funkenregen bildeten glühende Fontänen, als die Gestalt sich ruckartig auf die Füße stemmte. Sie war nicht mehr zu halten, sie war das Grauen, das Gestalt angenommen hatte, und sie gehörte nicht mehr zu den normalen Menschen.
Die Flammen bildeten einen sich ständig bewegenden Vorhang. Sie nahmen Suko auch einen Teil des Blicks, dennoch konnte er genau erkennen, wer da aus dem Feuer stieg.
Nein, es war kein Mensch, es war… es war…
Er saugte den Atem ein.
Das war ein Skelett, und es war Suko beileibe nicht unbekannt, denn hinter den dünnen Flammen entdeckte er auch das silberne Schimmern. Suko kannte die Zusammenhänge nicht, aber ein Gedanke ließ sich nicht aus seinem Kopf vertreiben.
Er hatte die Geburt des knöchernen Rächer erlebt. Er,
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