0873 - Gabentisch des Grauens
gern darauf verzichtet.«
Ich schlug ihm auf die Schulter. »Das kann ich dir verdammt gut nachfühlen.«
Jeder von uns machte sich um Johnny Sorgen. Wir konnten nur hoffen, mit dieser Kirchen-Disco die richtige Spur gefunden zu haben. Es wäre auch sinnlos gewesen, eine Razzia durchzuführen. Sollte sich Johnny dort tatsächlich aufhalten, dann wären seine Entführer durch eine Razzia nur aufgeschreckt worden und hätten womöglich genau das Falsche getan.
Draußen hatte der Himmel eine andere Farbe angenommen. Es sah nach Regen aus, aber noch herrschte eine Wärme vor, die sich mit der feuchten Schwüle des allmählich anbrechenden Abends vermischt hatte.
Es war auch Wind aufgekommen. Er spielte mit dem Blattwerk und brachte die Bäume zum Rauschen.
Sheila betrat zusammen mit Suko Bills Arbeitszimmer. »Ich denke, wir können jetzt fahren.«
»Okay.«
Suko sprach uns an. »Ich habe noch einmal mit der Dienststelle telefoniert.«
»Und?«
»Nichts. Die stille Fahndung läuft zwar, aber man hat nichts entdecken können.«
»Das war mir klar.« Wir hatten auch keine Zivilstreifen in die Nähe der Kirchen-Disco geschickt. Es sollte nichts, aber auch gar nichts auffallen, und ich hoffte nur, daß wir in diesen komischen Tempel auch eingelassen wurden.
Von gewalttätigen Aktionen der Szene war mir nichts bekannt. Ich hoffte nur, daß es auch in Zukunft so blieb.
Mit zwei Wagen fuhren wir los. Sheila und Bill nahmen den Porsche. Suko und ich klemmten uns in den Rover. Der Inspektor zeigte ein betroffenes Gesicht. »Zumindest Sheila geht es nicht sehr gut«, sagte er leise.
»Bill auch nicht. Er kann es nur nicht so zeigen.«
»Das ist wahr.«
Wir mußten aus dem Londoner Süden heraus und in die City hinein, wo praktisch immer Stau herrschte, auch an diesem Abend.
Die Conollys fuhren vor. Schon in Belgravia gerieten wir in das Botschaftsviertel hinein. Dort standen die alten repräsentativen Bauten der verschiedenen Nationen, und dieses Gebiet zog sich hinein bis nach Mayfair, wo unser Ziel lag.
Es war natürlich schwer, einen Parkplatz zu finden, aber wir hatten diesmal Glück, denn nicht weit von unserem Ziel entfernt fanden wir eine Garage.
Danach war alles ein Kinderspiel.
Dämmerung hüllte die Stadt ein, als wir die Garage verließen. Sheilas Gesicht sah noch gespannter aus, und auch Bill Conolly konnte sich zu keinem Lächeln mehr durchringen.
Um uns herum herrschte noch Trubel genug. An der japanischen Botschaft standen zwei Wachtposten und schauten uns hinterher, als wir sie passierten.
Wir erreichten einen Häuserblock mit Wohnungen und Geschäften, wir entdeckten aber auch eine Einfahrt zwischen zwei Häusern, die in einen Hof mündete.
Die Einfahrt war breit genug, um Fahrzeuge durchzulassen. Im Hof waren einige geparkt, und durch die Dunkelheit sahen wir die Beleuchtung der Disco.
Sie hatte mit der eins normalen Disco-Reklame nichts zu tun. Untergebracht war sie in einem Backsteinbau, dessen Fassade zahlreiche Fensterausschnitte zeigte. Vor den Scheiben hing nicht eine Gardine, nur hin und wieder ein Rollo. Wahrscheinlich waren in diesen Räumen nur Büros untergebracht.
Die Tür sah aus wie das verkleinerte Portal einer Kirche. Sheila war stehengeblieben und hatte die Hand ihres Mannes umfaßt. Auch Suko und ich gingen nicht mehr weiter.
Über der Tür glühte der Name Limelight in kraftvollem Rot.
Es war nicht mal Musik zu hören. Erst beim Näherkommen erreichten die gänsehauterzeugenden Klänge der Choräle unsere Ohren.
Ein junges Pärchen, das in die Disco wollte, schaute uns überrascht an. Es mochte hier wohl an unserer Kleidung und dem Alter liegen, denn wir paßten nicht zu den Gästen. Normale Straßenkleidung war hier verpönt. Wer eintrat, mußte zumindest aussehen wie ein Mönch oder eine Nonne.
Auch das Pärchen hatte sich so ausstaffiert.
Sheila wollte nicht mehr länger außen vor bleiben. »Ich gehe hinein«, sagte sie. Ihre Hand löste sich von Bill. Uns blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen…
***
Julie Jenkins staunte. Sie bekam weder den Mund noch die Augen zu. Sie wollte einfach nicht begreifen, daß die Königin der Nacht ausgerechnet vor Marty Stone stehengeblieben war. Was sie sich eigentlich nie ausgerechnet hatte, war eingetreten.
Und Marty? Was tat Marty?
Sie drehte den Kopf, um ihn anschauen zu können. Er konnte es selbst nicht fassen, jedenfalls saß er bewegungslos auf dem Hocker. Er wußte die Blicke aller auf sich gerichtet, was
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