0876 - Die Welt des LARD
hatte seine Zusage mit Enthusiasmus gegeben. Daraufhin war er von Grimroch in die Schule genommen worden. Grimroch hatte ihm die heilige Lehre erklärt und ihm auseinandergesetzt, warum es so eminent wichtig war, daß jedermann im Lande Quostoht an diese Lehre glaube. Tarmair hatte die Worte des Alten in sich aufgesogen wie ein trockener Schwamm das Wasser. Er war eingeweiht worden in die Kunst der Spötter, und er war, wie Grimroch selbst bestätigte, ein begabter und zugleich gelehriger Schüler gewesen.
Gleich seine erste Aufgabe bewältigte er mit Glanz. Der betrunkene Ketzer, den er mit seinen spitzen Zwischenbemerkungen der Lächerlichkeit preisgegeben hatte, war davon dermaßen beeindruckt gewesen, daß er sich seitdem in der Siedlung, in der Tarmair lebte, nicht mehr hatte sehen lassen.
Später dann war Raylto plötzlich aufgetaucht. Von nirgendwoher, wie es die Asogenen immer taten. Er hatte sich Tarmair beigesellt. Um diese Zeit hatte Tamair schon gewußt, daß Nes für einen Spötter gut war, wenn er einen Asogenen als Begleiter und Diener zu seiner Verfügung hatte. Tarmair war mit Raylto rasch vertraut geworden, und er fand Grim-rochs Behauptung bestätigt, daß die Asogenen überaus hilfreiche Handlanger waren.
Irgendwann später hatte er dann Grimroch aus den Augen verloren. Er war in eine andere Siedlung übergewechselt. Tarmair hatte nie in Erfahrung gebracht, welche Rolle der Alte in der Gilde der Spötter spielte -aber er zweifelte nicht daran, daß es eine bedeutende war. Er hatte Grim-rochs Abwesenheit nicht vermißt. Denn die Welt war in Ordnung, und die wenigen Ketzer, die in Tarmairs Siedlung hin und wieder Aufmerksamkeit auf sich zogen, waren leicht zum Schweigen zu bringen.
Jetzt aber, als Tarmair mit Raylto zusammen den schüsseiförmigen Gleiter bestieg und sich anschickte, Cainstor nach Westend - und darüber hinaus, wenn es sein mußte - zu verfolgen, hätte er eine volle Stunde des Stelldicheins mit der schönsten Frau von Quostoht dafür geopfert, nur fünf Minuten mit Grimroch sprechen zu können.
Denn Tarmair, der Spötter, verstand die Welt nicht mehr.
Die Fahrt zur Siedlung Westend dauerte eine knappe Stunde. Die Schüssel bewegte sich zum Teil über ebenes, zum Teil über hügeliges Gelände. Besonders auf dem letzten Drittel der Strecke wurden die Hügel immer häufiger und vor allen Dingen höher. Westend, eine Ansammlung von nicht mehr als etwa fünfzig Häusern, lag unmittelbar am Fuß der Berge, die das Ende der Welt darstellten. Einige von ihren Gipfeln ragten bis zu einer Höhe von sechstausend Metern auf.
Den Weg nach Westend beleuchteten insgesamt drei Sonnen. Immer wenn eine im Hintergrund versank und an Leuchtkraft verlor, stieg vor dem Fahrzeug eine neue auf. Zwischen den Sonnen gab es Zonen, in denen es bemerkenswert kühl war. Tarmair, der im Zuge seiner Tätigkeit als Spötter ganz Quostoht bereist hatte, kannte alle neun Sonnen und hatte sie stets als selbstverständlichen Bestandteil seiner Welt empfunden.
Auf dieser Fahrt jedoch kamen ihm Cainstors Worte in den Sinn: In der Vergangenheit liegt der Schlüssel zu allen Rätseln ... die Lieder der Alten enthalten die Wahrheit.
Wieso war in den Liedern der Alten immer nur von einer Sonne die Rede? Warum gab es Dutzende von Liedern, die die Wendung „der Glanz der Sonne" enthielten, aber kein einziges, das vom „Glanz der Sonnen" sprach?
Tarmair fühlte sich unglücklich und verwirrt. Er schob den Gedanken beiseite. Er kam sich selbst fast wie ein Ketzer vor, der sich von Cainstors frevelhaften Reden dazu hatte verleiten lassen, aufrührerische Gedanken zu denken.
Die Schüssel landete in der Mitte der Siedlung Westend, am Rand des kreisförmigen Platzes, der den dortigen Rededom umgab. Unter anderen Umständen hätte der Anblick der himmelhoch aufragenden Berge, die hier ganz nahe waren, Tarmair beeindruckt. Heute jedoch war er mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt.
In Westend war, wie in allen anderen Siedlungen von Quostoht, das Surquhaira noch mehrere Stunden entfernt. Tarmair wunderte sich daher, daß auf dem Platz und in den angrenzenden Straßen keinerlei Leben herrschte. Als er sich jedoch umhörte, da war es ihm, als vernähme er die Stimmengeräusche einer größeren Menschenmenge. Er orientierte sich und stellte schließlich fest, daß die Stimmen aus einem flachen Haus am Rand des Domplatzes kamen. Er setzte sich dorthin in Bewegung. Um Raylto kümmerte er sich nicht. Der wußte immer von
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