0877 - Raubvampire!
Nicole flüsterte, obwohl das nicht einmal notwendig war. »Aber auf wen?«
Ganz sicher nicht auf den Mann, der beinahe im gleichen Augenblick hinter Zamorra und Nicole auftauchte. Nein, ganz sicher nicht auf Doktor Artimus van Zant…
***
Er bereitete sich auf den Übergang vor, auf den Transit, der ihn von der Erde direkt in die Schwefelklüfte bringen würde.
Wie lange war er dort nun nicht mehr gewesen? Nach seinem Ermessen nicht lange genug. Nichts zog ihn dort hin, auch wenn dort seine Wurzeln lagen. Er war alt - uralt. Und vor sehr langer Zeit hatte er für sich eine Entscheidung getroffen.
Die Hölle war eine Welt der Intrigen, der Machtkämpfe, die verdeckt oder offen ausgetragen wurden. Irgendwann war für ihn der Punkt gekommen, an dem er sich von alldem angewidert abgewandt hatte. Macht - sollten die anderen ihre Kräfte darin verzehren, sich gegenseitig zu bekämpfen. Ihn gelüstete es nicht danach, an der Spitze seines Volkes zu stehen.
Mehr als nur einmal hatten sie nach ihm gerufen, wollten ihn zu ihrem Führer machen. Sehr schnell hatte er entdeckt, dass Methode hinter diesen Versuchen stand. Die Anführer der vielen Clans wussten nur zu gut, dass es ihnen mit ihm als König, als obersten Herrscher blendend ergehen würde. Sie wussten, dass ihn im Grunde nur sein Dasein interessierte, sein Ego - sein ›Ich‹!
Was hätte ihnen besser passieren sollen als ein König, der ihnen freie Hand ließ, weil er den Künsten, seinen Eitelkeiten… vor allem den schönen Frauen frönte? Sie hätten schalten und walten können, hätten den großen Kuchen unter sich aufgeteilt.
Er lächelte. Ja, sie kannten ihn recht gut. Kabalen, Täuschungsmanöver, schmutzige Transaktionen, die oft endlos lang dauerten - das war nicht das Leben, das sich Tan Morano wünschte.
Dann allerdings hatte sich ein anderer an die Spitze des Nachtvolkes gesetzt, hatte sich selbst zum uneingeschränkten Herrscher ernannt. Und niemand hatte es gewagt, ihm diese Position streitig zu machen. Sarkana - der Vampirdämon, Tan Moranos ältester Feind und Gegenspieler. Wie oft hatten sie miteinander im Clinch gelegen? Morano hatte es sicher nicht gezählt. Mit allen Mitteln waren sie vorgegangen, um den anderen zu vernichten - selbst vor Gift hatten sie nicht Halt gemacht.
Irgendwann war Morano dieses ewige Spiel leid gewesen. Zudem war es unklug, sich in Fehde mit dem König der Vampire zu befinden, auch wenn ihn sein Volk nicht unbedingt liebte.
Morano hatte sich zurückgezogen, hatte sich in der Abgeschiedenheit der Berge Korsikas eingenistet, um von dort aus abwartend und beobachtend der Dinge zu harren, die kommen mochten. Und sie kamen! Denn Professor Zamorra und seinem Team gelang es tatsächlich, Sarkana zu besiegen. Morano hatte die Neugier gepackt, denn in den Schwefelklüften lag das legendäre Refugium des Vampirdämons. Als er sich dort umsehen wollte, wurde er in die Ereignisse um die Entstehung von Armakath, der weißen Stadt, hineingezogen.
Schlimmer noch - er bekam Kontakt zu der Dunklen Krone.
Besser gesagt - sie nahm Kontakt zu Tan Morano auf, bemächtigte sich seiner.
Und zum ersten Mal lernte der alte Vampir das Gefühl der Abhängigkeit am eigenen Leib kennen. Diese Empfindung, dass er zwar seinen eigenen Willen nach wie vor spürte, ihn dennoch ohne Wenn und Aber der Krone unterordnete.
Die Krone wurde zu Moranos ganz persönlichem Puppetmaster - er zu ihrer willigen Marionette. Als er sich ihr dann schließlich entledigt hatte, war der mächtige Vampir geflohen. Nur fort von diesem Ort, der ihm so schmerzhaft vorgeführt hatte, dass auch er die Stelle eines Sklaven einnehmen konnte.
Eine demütigende Erkenntnis. Er hasste sie zutiefst.
Für Sekunden unterbrach Morano seine Vorbereitungen, die kurz vor dem Abschluss standen. Warum hatte er dann anschließend nicht einfach so wie früher weitergemacht? Er war reich, er sah nach wie vor gut aus - seinem Charme widerstand keine Frau, wie selbst Zamorras Geliebte Nicole Duval feststellen musste. Er konnte überall und nirgendwo sein Glück, seine Verwirklichung suchen und finden. Was also hatte sich verändert? Morano wusste es selbst nicht genau. Was er wusste, war, dass er nach seiner Rückkehr zur Erde mit Nachforschungen begonnen hatte.
Die Dunkle Krone - nur sie war sein Thema!
Tan Morano wollte alles über die Insignie wissen. Auf der ganzen Welt ließ er seine Beziehungen spielen, forderte Abhängigkeiten ein, die er lange Zeit hatte ruhen lassen - er
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