0877 - Raubvampire!
an.
Er spürte den bitteren Geschmack auf seiner Zunge.
Es war der Geschmack der Ungeduld, der Gier. Der Vorgeschmack der Macht, die er sich hier aneignen wollte. Und dann? Immer wieder kam diese Frage in ihm hoch. Würde er sich wieder mit dem begnügen, was die Erde ihm so alles zu bieten hatte?
Tan Morano lächelte sein charismatisches Lächeln, das so mancher Frau den Verstand geraubt hatte. Hier und jetzt war es ein Lächeln der Vorfreude.
Die Erde… man würde sehen. Es gab ja noch mehr als sie.
Doch wenn er erst die Dunkle Krone beherrschte, gab es auf allen Welten niemanden, der sich seiner Macht nicht beugen musste.
Niemand!
***
So sehr Zamorra sich auch bemühte, so wenig konnte er auf diese Distanz die Glasscherbe in der Hand des weiblichen Vampirs erkennen.
Artimus van Zant hatte seine Geschichte schnell und in präzisen Worten erzählt. Zamorra hatte nicht die geringste Vorstellung, wie das alles zusammenpassen mochte. Wieder einmal zeigte sich, dass ihm in der letzten Zeit - im Grunde schon seit Jahren - die notwendige Ruhe fehlte, um zu forschen. Die Dunkle Krone - offensichtlich warteten die Vampirfrauen auf irgendein Ereignis, das mit ihr zu tun haben musste.
Was also hatte es mit dieser Glasscherbe auf sich, die sie gezielt aus dem Kirchenfenster geschnitten hatten? Die Geschichte der Krone, die der Asanbosam - Zamorra hatte kaum Zeit darauf verwendet, sich tiefer in diese Materie einzuarbeiten. Er hatte die Sache für abgeschlossen gehalten. Assunta lebte nicht mehr, sein Leibwächter Tahum teilte dieses Schicksal. Sabeth hatte sich zum Dienst in Armakath entschlossen, doch ob sie noch lebte, das war eine unbeantwortete Frage.
Die Dunkle Krone jedenfalls schien sich erfolgreich aus dem Bann der alten Wächterin zu befreien. Eine auch nur einigermaßen logische Erklärung für die Anwesenheit der drei Vampirfrauen sah der Parapsychologe im Moment wirklich nicht - noch weniger konnte er sich die Verbindung mit der ominösen Glasscherbe erklären.
»Aber irgendeinen gemeinsamen Nenner muss es doch geben. Artimus…« Nicole hielt inne. Dann stieß sie Zamorra an, der sich auf die Blutsauger konzentrierte, die nach wie vor stoisch verharrten. »Schau dir Artimus an.« Ihre Bemerkung weckte den Dämonenjäger aus seinen Gedanken.
Van Zants Blick war in Richtung Armakath gerichtet. Der Südstaatler hatte die Augen zu kleinen Schlitzen verengt, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Es dauerte lange Sekunden, bis er mit einem tiefen Atemzug in die Realität zurückfand.
»Die Stadt… Armakath… hat eine neue Wächterin. Bald schon werden die schwarzen Flammen wieder auf den Dächern lodern. Die inaktive Phase ist nahezu beendet.« Er bückte zu Zamorra und Nicole, als würde er die Freunde erst in diesem Moment erkennen. Die Erkenntnis stand ihm ins Gesicht geschrieben, und wieder einmal fragte Zamorra sich, wie eng die Verknüpfung zwischen einer weißen Stadt und ihrem Krieger tatsächlich war. Eines war sicher: Artimus hatte soeben Informationen erhalten, alleine durch die Nähe zu Armakath. Es war ein enges Band, das ihn an die Stadt fesselte.
»Ich kann es kaum glauben… Sabeth ist die neue Wächterin Armakaths.«
Zamorra und Nicole wechselten einen Blick. Es war ihnen klar gewesen, dass nichts und niemand die neue Wurzel der Stadt daran hindern konnte, eine neue Wächterin zu rekrutieren. Doch was Artimus ihnen hier verkündete, das ließ zwiespältige Gefühle in ihnen aufleben.
Einerseits war es Erleichterung, denn nun wussten sie endlich, dass die ehemalige Königin der Asanbosam noch lebte. Laertes würde sich über diese Tatsache sicher freuen, denn er hatte sich stets um Sabeth gekümmert, sich für sie verantwortlich gefühlt.
Andererseits… wenn die neue Wurzel sich zu aggressivem Verhalten entschied, wenn sie das Wachsen der Stadt progressiv vorantrieb, wenn die Urbanen vielleicht in absehbarer Zeit Armakath besetzen sollten… zu viel ›Wenn‹, fand Zamorra. Doch sollte dies so geschehen, dann machte das Sabeth zu ihrer Feindin.
Lange hatte Zamorra in Sachen Armakath in eine ganz andere Richtung gedacht. Wenn die Stadt der Hölle und ihren Bewohnern Probleme bereitete, dann sollte das dem Parapsychologen im Grunde ja nur recht sein, doch mittlerweile wusste er um die mögliche Gefahr, die von den weißen Städten ausging.
Alles erschien nach wie vor vage, ergab ein undeutliches Bild, das wie hinter dichten Nebeln kaum klar auszumachen war, doch über alldem schwebte
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