0877 - Raubvampire!
aktivierte alles und jeden, um Informationen zu sammeln. Viel war es dennoch nicht, was er in Erfahrung gebracht hatte.
Die Dunkle Krone war Insignie des Königs der Asanbosam, des Vampirstammes aus dem tiefsten Afrika. Wer sie erschuf, wie alt sie war… welche Macht tatsächlich in ihr steckte… dazu fand er keine Antworten.
Nur eine neue Frage fand er. Warum tust du das alles? Vielleicht ahnte er die Antwort sogar, doch er gab sie sich nicht.
Irgendwann, als Morano bereits kurz davorstand, sich aus diesem Wissensdrang zu befreien, erhielt er eine CD-ROM übersandt, die in Südafrika aufgegeben worden war. Morano wusste nicht, von wem sie stammte, doch das war ihm schlussendlich gleichgültig. Das Material auf dem Speichermedium bestand aus dem Foto einer nahezu vollständig unleserlichen Buchseite und einer Textdatei.
Was Morano dort las, interessierte den Vampir im Grunde nicht. Es war die Geschichte eines Schamanen der Aschanti, des Volkes, das unter den Asanbosam am meisten zu leiden hatte. Die wenigen lesbaren Stellen auf der Buchseite konnte Tan nicht übersetzen, denn diese Sprache war ihm fremd. Er ging dennoch davon aus, dass der Text einer Reinschrift entsprach.
Gegen Ende der Niederschrift jedoch wurde es interessant für den Vampir. Die Rede war von einem ›gläsernen See‹, der über Nacht mitten in einer Ebene entstanden war. Das klang für Tan nach einem Kometeneinschlag, dessen Oberfläche durch die Reibungshitze glasiert war. Besagter Schamane schnitt ein Stück aus dieser Oberfläche heraus - wie er das geschafft haben mochte, war Morano unklar, doch er nahm es erst einmal als gegeben hin.
Dann kamen die entscheidenden Sätze:… und schnitt daraus die Spitze Afrikas, die der Vampirkrone Einhalt gebieten konnte, die das magische Holz selbst einem Aschanti zu seinem Diener werden ließ…
Tan Morano las diese Stelle immer und immer wieder. Wenn das, was dort geschrieben war, der Wahrheit entsprach, dann gab es ein probates Mittel, die Krone zu beherrschen. Was für eine Vorstellung! Morano hatte erlebt, wozu die Dunkle Krone fähig war. Wer sie besaß, wer sie beherrschte, der musste niemanden mehr fürchten. Der konnte sich zum Herrscher aufschwingen… nicht nur über das Volk der Vampire.
Dem konnte nichts und niemand widerstehen - niemand!
Morano rief sich selbst zur Räson. Was war mit ihm geschehen? Er, der sich nie zum Herrschen berufen gefühlt hatte, berauschte sich nun an diesen Gedanken.
Er… er musste sich beherrschen.
Beim weiteren Studium der Dateien auf der CD-Rom hatte Tan sich modernster Technologie bedient. Das war es, was ihn von jeher von den allermeisten seines Volkes unterschieden hatte. Er nahm die Moderne an - bediente sich der Fortschritte, die das Menschenvolk für sich errungen hatte.
Bildbearbeitung am Computer war sicher nicht sein Fachgebiet, doch auch dafür hatte er seine Leute, die ihm zu Diensten sein mussten. Die unleserliche Buchseite gab ihre Geheimnisse ungern preis. Doch sie verlor diesen Kampf. Unten, am linken Rand der Seite, existierten die verblichenen Reste einer Zeichnung. Und die zeigte die Spitze Afrikas , den dreieckigen Glassplitter.
Das Objekt von Moranos Begierde!
Der Vampir straffte seinen Körper. Natürlich - das konnte nichts weiter als eine Legende sein, doch er wusste ganz einfach, dass dem nicht so war. Er wusste es! Die Suche ging also weiter, doch nun gab es ein präzises Objekt, nach dem man forschen konnte. Das Ergebnis überraschte selbst ihn, denn es stellte sich heraus, dass die Spitze Afrikas viele Jahre gemeinsam mit einer hölzernen Schachfigur von Besitzer zu Besitzer gewechselt hatte.
Niemand hatte bemerkt, wie eng diese Artefakte miteinander verwoben waren. Nicht einmal der letzte Besitzer der Schachfigur, in der Assunta, der König der Asanbosam mitsamt der Dunklen Krone gebannt war, hatte etwas geahnt. Wäre es anders gewesen, hätte er vielleicht nicht so elendig sterben müssen.
Es war ein langer Weg, doch an seinem Ende stand die letzte Information: Morano erfuhr, wo die Glasscherbe sich befand. Dass sie Teil eines christlichen Glasmosaiks geworden war, hielt Tan für blanke Ironie, doch schlussendlich war das gleichgültig.
Morano vollführte den Transit in die Schwefelklüfte.
Vorsichtshalber hatte er einen Ort gewählt, der von dem Gefängnis der Krone aus nicht einsehbar war. Man konnte nie wissen, wem man in der Hölle so alles über den Weg lief. Was er hier vorhatte, das ging niemanden etwas
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