0878 - Raniel und die Gerechten
anderen Stern, dieser Besucher mit den Insektenaugen und dem menschlichen Körper. Wenn ich nur eine Möglichkeit gewußt hätte, mit ihm zu kommunizieren, dann wäre vieles geklärt worden, aber er blieb stumm.
Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt!
Plötzlich zuckte er zusammen. Bei seinem dünnen Körper wirkte es ähnlich wie bei einem Frosch.
Er hob mit einer zackigen Geste die Schultern an, ließ sie wieder sinken. Seine Arme wurden geschüttelt, und gleichzeitig riß er den Mund auf.
Aus diesem Spalt strömten Laute, die mich an das Zirpen der Grillen an einem Sommerabend erinnerten. Die Laute waren einfach nicht natürlich, sie paßten auch nicht zu ihm, und trotzdem wurden sie immer lauter und malträtierten unsere Ohren.
Kevin konnte nicht mehr an seinem Platz stehenbleiben. Mit ebenfalls zuckenden Beinbewegungen torkelte und hüpfte er durch das UFO.
Er streckte die Arme aus, seine dreifingerigen Hände suchten vergeblich Halt. Er lief auf mich zu und würde mich auch erreichen.
Bisher hatte ich es nicht gewagt, ihn zu berühren. Ich wußte auch nicht, was passierte, wenn ich es tat. Ich dachte an Bakterien und Viren, die sich möglicherweise bei ihm eingenistet hatten. Konnte ich das Risiko eines Kontakts überhaupt eingehen?
Die Entscheidung mußte während der nächsten Sekunden fallen, sonst war alles vorbei.
Ich wich nicht aus.
Er faßte mich an, ich ihn.
Aus dem Augenwinkel sah ich Suko und erkannte auch das Entsetzen in seinen Augen. Ihn mußten dieselben Gedanken beschäftigen wie mich, aber ich hatte mich nun mal entschlossen.
Meine Hände umfaßten seine Schultern. Zum erstenmal überhaupt berührte ich einen Außerirdischen. War er weich, war er hart, durchtosten mich elektrische Schläge?
Nein, es blieb normal!
Vielleicht vergingen zwei oder drei Sekunden. Die Zeit dehnte sich. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, bereits Minuten mit dieser Person in Kontakt zu stehen. Die Haut - ja, wie fühlte sie sich an?
Sie war weich und hart zugleich. Sie war auch etwas rauh, wie schraffiert, aber das Zucken lag nicht an der Haut, sondern an der Gestalt selbst.
Weiterhin stand das Maul offen, so daß ich hineinblicken konnte. Der tiefe Schlund war ein dunkles Loch, aus dem der Grillengesang erklang.
Auf einmal wußte ich, was dieses arme Wesen verspürte.
Angst!
Die blanke Angst, das kalte Entsetzen vor dem Unvorhersehbaren. Das Grauen, das sich ihm näherte und eigentlich Menschen wie mich hätte überfallen müssen, doch hier war es umgekehrt. Aus Angst klammerte sich die Gestalt wohl auch so hart an mich, als wäre ich ihr Beschützer.
Wieder schaute ich auf Suko, der noch immer staunte und dabei den Kopf schüttelte.
»Er hat Angst, Suko.«
»Vor uns?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Was willst du tun?«
»Ich kann nichts tun, das muß er machen.« Einen Moment später bewies Kevin mir, welche Kraft in ihm steckte. Er hängte sich an mich und zog mich nach unten.
Mein Kopf war gesenkt. Seine Augen schillerten in verschiedenen Farben.
Die schrillen, hohen Laute wollten nicht aufhören. Um nicht zu fallen, mußte ich seinem Zug folgen. Wir durchquerten mit kleinen Schritten das UFO, und urplötzlich fegte Sukos Schrei an meine Ohren.
»John, das Gesicht! Es ist da! Verdammt, es ist erschienen!«
Mit einem Ruck, sehr heftig, wie ich zugeben mußte, befreite ich mich aus der Umklammerung. Die Hände hatten sich kaum von mir gelöst, als Kevin schon zu Boden fiel.
Ich drehte mich und kam dabei wieder hoch.
Mein Blick traf den Bildschirm!
Dort sah ich das Gesicht.
Diesmal ohne Spirale, also ohne Verfremdung. Und ich stellte fest, daß ich es kannte.
Es gehörte Raniel, dem Engel und Gerechten!
***
Abe Douglas hörte das Gelächter des Chiefs, das ihn ärgerte und innerlich aufwühlte. Er hätte dem Kerl am liebsten die Faust mitten hineingeschlagen, aber er hielt sich zurück. Noch war es besser, sich zu beherrschen.
Das Lachen stoppte. Der Chief hatte sogar einen roten Kopf bekommen, den er nun schüttelte.
»Meine Güte, ihr G-man nehmt euch vielleicht etwas heraus. Was wollen Sie, Douglas? Kämpfen? Gegen mich, gegen die anderen hier, gegen unsere Sicherheitsmaßnahmen? Haben Sie das tatsächlich vor, oder habe ich mich getäuscht?«
»Nein, Sie haben richtig gehört.«
Myers schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. »Sie sind ja noch lebensmüder, als ich dachte.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein.«
»Keine Aufregung, Douglas. Sie können
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