0878 - Raniel und die Gerechten
heitergelassenen Eindruck. Er war der Chef auf diesem Camp, und dies bewies er Abe.
Er verspottete ihn. »Sie trauen sich nicht, Douglas?«
»Es besteht kein Grund.«
»So… meinen Sie?« Die Augen des Mannes schillerten für Abe fremd. Er kam sich vor wie jemand, der in die Augen einer ihm nicht bekannten Person schaute. Da stimmte etwas nicht.
Myers bewegte sich lässig. Natürlich war auch er bewaffnet. Er trug die Pistole an der rechten Seite in einer Tasche. Eine Lasche war über den Griff geklappt und verdeckte ihn.
Als hätte sich überhaupt nichts verändert, so öffnete Myers die Lasche, was Abe nicht begreifen konnte. Sein Erstaunen wuchs, und er reagierte erst, als die Finger des Mannes den Griff der Pistole bereits berührten.
»Hören Sie auf!«
»Nein, Douglas, ich höre nicht auf!« Die Stimme klang beinahe gelangweilt, und Myers machte weiter.
Scharf saugte Abe den Atem ein. Er schaute zu, wie der andere die Pistole hervorholte. Lässig, dabei lächelnd, aber eiskalt darauf anlegend, daß der G-man schoß.
Abe konnte nicht anders.
Er drückte ab, bevor der Chief seiner Pistole eine Richtungsänderung gab. Sie zielte noch nicht auf Abe Douglas, als die Kugel in Myers rechten Oberschenkel schlug.
Der Chief zuckte zurück, dann nach vorn, und plötzlich brach er zusammen und blieb liegen.
Das Echo des Schusses war verrollt. Die Männer im Hintergrund mußten es gehört haben. Niemand eilte herbei, was Abe schon als seltsam einstufte, sich darüber aber keine Gedanken machte, denn der Chief war wichtiger.
Er lag auf der linken Seite. Das rechte Bein ausgestreckt, die Hände auf die Wunde gepreßt. Seine Pistole hatte er aus den Händen rutschen lassen, sie war zur Seite geglitten, unerreichbar für ihn.
Trotzdem empfand der G-man kein Gefühl des Sieges, er konnte sich nicht mal als Sieger sehen, weil er dem Braten nicht traute.
Er hörte von Myers keinen Laut, kein Stöhnen, kein Leiden unter den Schmerzen.
Der Chief lag still.
Auch die anderen Männer bewegten sich nicht. Sie blieben an ihren Arbeitsplätzen. Dem FBI-Mann kamen sie wie dressierte Hunde vor. Er würde sich später mit dieser Tatsache auseinandersetzen, wichtiger war zunächst dieser Verletzte.
Douglas schritt nur zögernd auf ihn zu. Zwischen ihnen beiden stand eine unsichtbare Wand. Er konnte sich nicht erklären, daß jemand so still und ohne Anzeichen von Schmerz den Einschuß der Kugel hinnahm. Das war ihm einfach suspekt.
Nach dem zweiten Schritt stoppte ihn das Lachen.
Kein normales Gelächter, weder freudig noch schadenfroh. Es war ein kaltes, widerlich klingendes Kichern. Ein Lachen, mit dem der G-man kaum hätte rechnen können, das ihm allerdings bewies, wie wenig der andere ausgeschaltet war.
Douglas blieb stehen.
Das Lachen blieb. Es veränderte nur seine Höhe. Klang wie das einer Frau, die sich diebisch freute.
Dem G-man fiel auf, daß dieser Chief sein Gesicht irgendwie verborgen hielt. So, als sollte der andere den Kopf nicht sehen. Und wieder wurde Douglas abgelenkt, denn der Verletzte schaffte es, sein angeschossenes Bein zu bewegen.
Er zog es an, er streckte es aus, als wäre es völlig normal und nicht von einer Kugel getroffen worden.
Das wollte Abe nicht in den Sinn.
Aber er dachte zugleich daran, wie sehr im Myers geraten hatte, doch zu schießen.
Er hatte geschossen und getroffen. Myers hätte verletzt sein müssen. Er war es nicht, denn mit einer geschmeidigen Bewegung kam er hoch und schwang auch seinen Oberkörper zur Seite, damit er so saß, um den G-man anschauen zu können.
»Nun…«
Abe hielt den Atem an. Nicht nur die Stimme des Chiefs hatte anders geklungen, er war auch dabei, sich zu verändern, und so erlebte Abe Douglas zum erstenmal ein schreckliches Phänomen…
***
Das Gesicht gehörte Raniel, dem Gerechten!
Er war der Engel mit den eigenen Gesetzen, der Hüter des Jungen Elohim. Er war derjenige, der in ein Geschehen eingriff, wenn es überzukochen drohte und seine Pläne störte. Wenn er den eigenen Gesetzen folgte, dann kümmerte er sich nicht darum, ob Menschen auf der Strecke blieben, ihm ging es um den Erfolg und auch darum, seine Gerechtigkeit durchzusetzen. Wir hatten es mehrmals erlebt, und Raniel kannte auch unseren Standpunkt, den wir gegenüber anderen Menschen vertraten.
Er akzeptierte ihn, nur kümmerte er sich nicht darum, solange wir ihm nicht in die Quere kamen und ihn einengten.
Diesmal hob sich sein Gesicht klar und deutlich von der Fläche des
Weitere Kostenlose Bücher