0879 - Das Erdmonster
das rote Licht, mit dem das Unheil begonnen hatte. Jill verkrampfte sich. Erst als sie den Kopf wieder gedreht hatte, ging es ihr besser.
»Wo soll ich beginnen?«
»Von vorn, wenn möglich.«
»Ja, das ist gut.«
Jill McCall erzählte. Sie begann wirklich von vorn, denn sie fing in London an und berichtete von einem Auftrag, den sie und ihr Kollege bekommen hatten. Ihr fiel nicht auf, wie gespannt Delphi zuhörte, denn die geheimnisvolle Frau verspürte in ihrem Innern einen großen Triumph, da sie es schließlich gewesen war, die durch ihre Berichte einiges in Bewegung gesetzt hatte. Es hatte zwar lange gedauert, vielleicht sogar zu lange, aber jetzt waren Menschen aufmerksam geworden und hatten auch gehandelt. Leider hatte einer von ihnen sein Leben lassen müssen, aber es war gleichzeitig der Beweis dafür, daß die Zeiger der Umweltuhr schon auf fünf vor zwölf standen.
Delphi hörte immer gespannter zu. Jill redete sich alles von der Seele. Zuerst sprach sie leise, je mehr sie sich allerdings in die Erlebnisse vertiefte, um so schneller und auch lauter sprach sie. Sie schämte sich auch ihrer Gefühle nicht, weinte zwischendurch, bewegte sich manchmal hektisch, legte auch eine kleine Pause ein, um sich die Nase zu putzen, und sie endete damit, daß sie auf dem Felsen gesessen hatte und schließlich von einer Fremden gerettet worden war.
»Ich bin keine Fremde für dich, Jill. Ich bin eine Freundin, die es gut mit dir meint.«
»Das weiß ich jetzt.«
»Und ich bin auch gleichzeitig die Person, die den Anstoß gegeben hat«, erklärte sie.
Jills Augen weiteten sich. »Wieso?«
»Ich habe die Berichte geschrieben.«
»Welche?«
»Ich schickte mein Wissen an die entsprechenden Zeitungen. Aber meine Beobachtungen wurden nicht ernst genommen oder einfach unterdrückt. Man kennt das ja, der Tourismus ist wichtiger. Nichts darf den Frieden stören.«
»Frieden?« fragte Jill nach einem tiefen Atemzug. »Gibt es den denn noch? Oder was ist hier passiert?«
»Ich bin mir auch nicht sicher«, erklärte Jill. »Zumindest steht dieser Frieden auf tönernen Füßen.«
»Da hast du recht. Die Natur läßt sich nichts mehr gefallen.«
Delphi wollte ihr nicht zustimmen. »Ich denke nicht, daß es direkt die Natur ist. Lange genug habe ich überlegt. Es ist die Erde selbst, die sich gegen ihre Bewohner auflehnt, denn auch die Erde ist ein Lebewesen. Diese Theorie vertrete ich zumindest. Sie lebt, sie wird geführt und läßt sich führen. In ihrem Innern lebt etwas, das über unaussprechlich lange Zeiten verborgen geblieben war. Es hat lange alles hingenommen, das aber ist nun vorbei. Die Erde rächt sich.«
Jill runzelte die Stirn. Sie war zwar im Kopf wieder etwas freier geworden, aber noch zu durcheinander, um die Dinge konkret begreifen zu können. »Ich muß darüber nachdenken, und ich kann dir auch irgendwie nicht folgen. Ist denn das Licht die Erde? Du kennst es doch, du hast es bestimmt gesehen.«
»Und ob ich es kenne.«
»Was ist dieses Licht?«
Delphi hob die Schultern. »Du glaubst nicht, wie oft ich mir die Frage schon gestellt habe, ohne allerdings eine Antwort zu finden. Dieses Licht steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem, was ich gesagt habe. Es ist gewissermaßen ein Vorbote, es ist schön und schrecklich zugleich. Jedenfalls ist es faszinierend für denjenigen, der es sieht.«
Jill schnaufte. »Ist es ein Irrlicht?«
»Kann sein.«
»Ein Geist?«
»Auch möglich.«
»Aber es tötet…«
Delphi nickte.
Jill räusperte sich vor der nächsten Frage. »Hast du schon darüber nachgedacht, es zu vernichten? Es ist ja ein Mörder, wenn ich es richtig sehe.«
Delphi lehnte sich gegen den Stuhlrücken, und das Möbel begann zu schaukeln. Sie schaute gegen die Decke mit den dunklen Balken und den hell gestrichenen Stellen dazwischen, dann wiegte sie den Kopf und murmelte: »Ich weiß nicht, ob man es als Mörder bezeichnen soll. Das Licht ist etwas, das eine gemarterte und gequälte Kreatur namens Erde ausgeschickt hat, um sich zu rächen. Es sind komplizierte Vorgänge, da bin ich mir sicher, und ich versuche, sie in eine einfache Formel zu bringen, was nicht leicht ist.«
»Das kann ich mir denken.« Jill schaute sich um. »Und du lebst ganz allein hier?«
»Ja, und es ist wunderbar.«
»Hast du keine Angst dabei?«
Delphi zog ein erstauntes Gesicht. »Angst?« wiederholte sie ungläubig. »Himmel, wieso soll ich Angst haben?«
»Na ja«, Jill war etwas aus dem Konzept
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