088 - Das Dreigestirn der Hölle
Ausstrahlung des Dämonischen.
Coco versetzte sich blitzartig in einen schnelleren Zeitablauf und zerrte mit ganzer Kraft an der Schlinge. Sie kam frei, doch der Möbius-Streifen blieb an ihren Fesseln haften.
Die Unterwasserwelt erstarrte zur Bewegungslosigkeit, und das Wasser wurde zu einer breiigen Masse, gegen die sie nur mit all ihren Kräften ankämpfen konnte.
Sie dachte, daß dies die einzige Möglichkeit sei, um dem Möbius-Dämon zu entkommen. Doch dann mußte sie erkennen, daß ihr auch das nichts nützte. Es stellte sich heraus, daß sie sich nur in eine bestimmte Richtung bewegen konnte, als befinden sie sich in einer unsichtbaren Röhre. Sie konnte nicht nach links oder rechts und nicht nach oben und unten ausweichen. Es gab nur einen Weg für sie - den der Möbius-Streifen ihr wies.
Da resignierte sie. Es hatte keinen Sinn, ihre Kräfte zu vergeuden. Wie schnell sie auch vorwärts kam, sie konnte die Gesetze des Möbius-Streifens nicht außer Kraft setzen.
Coco hatte keine Ahnung, wie lange sie geschwommen war, als der Meeresboden anstieg und sich schließlich über die Wasserfläche erhob.
Als sie auftauchte, stellte sie fest, daß sie sich auf einer Insel befand. Es gab keine Bäume, nur dichtes Strauchwerk und dazwischen nackten Fels.
Es dämmerte bereits. Dennoch konnte Coco erkennen, daß sich zwischen den Büschen und über die Felsen Spinnweben spannten. Ihr war klar, daß es sich dabei nicht um normalen Altweibersommer handelte.
Sie setzte sich in Bewegung. Dabei stellte sie fest, daß sie von ihrem vorbestimmten Weg nicht abweichen konnte. Sie hätte umkehren können, doch sie wußte, daß sie über den gewundenen Pfad des Möbius-Streifens wieder hierherkommen würde .
„Na, du abtrünnige Hexe", sagte da eine lispelnde Stimme. „Wie gefällt es dir, auf der endlosen Schleife gefangen zu sein?"
Zwischen den Büschen entdeckte Coco einige windschief stehende Menhire. In ihrem Mittelpunkt stand ein großer, schrecklich dürrer Mann, dessen dämonische Ausstrahlung Coco eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Zwischen seinen nervös zuckenden Spinnenfingern ließ er eine Spindel rotieren, von der sich glitzernde Fäden lösten und sich zu Netzen vereinten, bevor sie aufstiegen und sich über die Menhire legten.
So sah also der Dämon aus, der seine Opfer mit dem Altweibersommer einfing!
Wo aber war der andere, der Giftzwerg, der sich auf Möbius-Streifen spezialisiert hatte?
„Nach Möbius hältst du vergeblich Ausschau", sagte der Dämon, als erriete er ihre Gedanken. „Er ist gerade dabei, seine größte Schleife zu formen. Wenn er damit fertig ist, wird die Jacht mit Mann und Maus vernichtet."
„Freue dich nicht zu früh", erwiderte Coco unbeeindruckt. „Dein Gefährte wird nicht mehr lange mit Möbius-Streifen herumspielen. Es ist sogar wahrscheinlich, daß er bereits den Weg des Fettsacks mit der Krötenstimme gegangen ist."
Der Dämon lachte gackernd.
„So, meinst du? Dann versuche einmal aus dem Streifen auszubrechen. Es wird dir nicht gelingen. Also hat dich Möbius in seiner Gewalt und lebt. Aber wenn dir das nicht behagt, so kannst du dich damit trösten, daß dieser Zustand nicht mehr lange andauern wird. Wenn ich Möbius ein Zeichen gebe, dann wird er dich freilassen. Denn du bist für mich bestimmt."
Er machte mit seinen Spinnenfingern flatternde Bewegungen.
„Sieh nur, was ich für dich baue. Ein Nest aus magischen Fäden, für dich ganz allein. Hier wirst du wohnen!" Seine Stimme wurde immer lauter, bis er schließlich schrie. „Hier wirst du leiden! Und hier wirst du sterben! Das ist die Rache für meinen toten Bruder."
Coco zuckte unwillkürlich zurück, stieß gegen eine unsichtbare Barriere und wurde wieder nach vorn geschleudert. Nun wurde ihr die Ausweglosigkeit ihrer Lage voll bewußt. Aus eigener Kraft konnte sie sich nicht befreien. Aber von wem sollte sie Hilfe erwarten? Wie sollte Dorian unter den vielen Inseln ausgerechnet diese herausfinden? Sie war verloren, wenn es ihr nicht gelang, diesen Dämon irgendwie zu überlisten…
Mutter, Mutter, wovor hast du Angst?
Coco vermied jeden Gedanken an ihre Lage, als sie die Gedanken ihres Sohnes vernahm. Sie wollte nicht, daß ihr Kind mit ihr litt.
Ich hatte nur einen bösen Traum, dachte sie, um ihr Kind zu beruhigen. Aber in Gedanken kann man schlechter lügen als mit Worten, und Gefühle sind stärker als alles andere. Deshalb ließ sich ihr Kind auch nicht täuschen.
Das ist kein Traum,
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