088 - Das Dreigestirn der Hölle
erwiderte Coco. „Wenn wir im Zielgebiet angekommen sind, werde ich mich an die Arbeit machen. Aber zuvor möchte ich mich etwas ausruhen."
Coco zog sich in ihre Kabine zurück. Der Dämonenkiller und Parker gingen nach oben.
„Besondere Vorkommnisse?" erkundigte sich Parker bei Andrea Mignone.
„Nichts außer ein paar Sirenen, die uns ins Verderben locken wollten" antwortete der Steuermann. „Aber wir blieben standhaft. Im übrigen müßten wir das Zielgebiet gleich erreicht haben. Das heißt, falls deine Berechnungen stimmen."
Dorian betrachtete die graue Wasseroberfläche. Am Heck waren drei Männer der achtköpfigen Mannschaft damit beschäftigt, die Taucheranzüge und Sauerstoffgeräte zu überprüfen.
Gianni Branca begegnete Dorian Blick.
„Brrr", machte der ehemalig Schmuggler. „Ich möchte bei diese Wassertemperatur nicht tauchen." „Ach, da fällt mir in, daß wir die Beute von der Teufelsinsel verkauft haben", sagte Parker „Giannis Beziehungen zu Hehlern sind uns dabei zugute gekommen, so daß wir einen guten Preis bekamen. Ich habe deinen und Cocos Anteil auf das Konto der Mystery Press überweisen lassen. Ist dir das recht, Dorian?
Der Dämonenkiller nickte.
„Da wird sich Sullivan aber freuen. In seiner Kasse herrscht doch ständig Ebbe."
„Maschinen stop!" Das Kommando kam von der oberen Brücke, der Flying-Bridge.
„Aye, aye", antwortete Lutz Panino im Maschinenraum.
Die Sacheen wurde von Stoßen erschüttert, als die Schiffsschraube in die entgegengesetzte Richtung zu laufen begann. Die Jacht wurde langsamer und trieb nach Lee ab.
Schließlich kam sie zum Stillstand. Die Maschinen verstummten.
Dorian spürte eine seltsame Erregung. Er hatte das untrügliche Gefühl, daß sie an ihrem Ziel waren. Irgendwo dort unter der grauen Wasseroberfläche, auf dem von Algenwäldern bedeckten Meeresgrund, mußten sich die Überreste der versunkenen Stadt befinden.
Ys!
Dieser Name klang ihn wie ein Zauberwort.
Dorian hatte den Taucheranzug bereits angezogen. Eine kühle Brise kam auf, und ihn fröstelte unter der Gummihaut. Als Gianni ihm die Sauerstoffflaschen umhängen wollte, winkte er ab.
„Los, verschwindet unter Deck!" herrschte Parker die Männer an.
„Coco kann jetzt keine Gaffer brauchen."
Die Männer zerstreuten sich murrend.
Coco kniete an der Reling. Vor ihr lag der magische Stein, auf dem neben vielen unverständlichen Zeichen auch die Symbole für die Menhire von Ys eingraviert waren.
Sie konzentrierte sich ganz auf den Stein. Zuerst wollte sie ihn mit ihrem Geist als Ganzes erfassen, als einheitlichen Komplex. Dabei schloß sie die Augen. Als sie glaubte, die nötige Konzentration erreicht zu haben, öffnete sie die Augen.
Sie starrte auf den Stein. Dabei betrachtete sie mit jedem Auge eine andere Stelle und versuchte, mehrere Symbole und Zeichen gleichzeitig mit ihren Blicken zu erfassen und auf sich einwirken zu lassen.
Auf ihrer Oberlippe bildeten sich feine Schweißperlen. Ihr Mund war halb geöffnet. Dann bewegte sie lautlos die Lippen. Sie begann, mit den Augen zu rollen. Jede Iris bewegte sich unabhängig von der anderen, die eine im Uhrzeigersinn, die andere in entgegengesetzter Richtung. Auf diese Weise versuchte sie, sämtliche Einzelheiten des magischen Steins in möglichst kurzer Zeitspanne zu erfassen.
Sie beherrschte die Kunst, mit jedem Auge in eine andere Richtung zu blicken, meisterhaft. Das brachte zwar den Nachteil mit sich, daß sie nicht „plastisch" sehen konnte, doch dafür durchdrang sie die Objekte ihres Interesses. Sie erfaßte das Wesen, die magische Struktur der Dinge…
Coco stöhnte kaum hörbar auf, als sie die vielen ineinander verschlungenen Linien des in seinem metaphysischen Aufbau so komplizierten Gebildes sah. Das war alles andere als ein gewöhnlicher Stein. Sie glaubte, in ihn zu fallen, ruderte, mit den Armen verzweifelt Halt suchend, und beruhigte sich erst, als sie einen warmen Widerstand zwischen den Fingern spürte. Sie wußte, daß es Dorians hilfreiche Hand war.
Jetzt hatte sie das Grundschema des Steines erfaßt und konnte die Linien entwirren und sie im Geist nachvollziehen.
„Dorian, da!" rief Parker aufgeregt und deutete zur Wasseroberfläche. „Das Wasser klärt sich an dieser Stelle. Phantastisch! Coco hat es geschafft!"
Dorian folgte mit den Augen der Richtung, die der Freund wies. Keine zwanzig Meter von der Sacheen entfernt war im Wasser ein Wirbel entstanden. Es sah so aus, als sei hier eine Quelle
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