088 - Die Alpträume des Mr. Clint
Leben!
Die braunen
Gestalten bewegten sich, als würde sie göttlicher Atem beleben. Die kleinen
Arme streckten sich, die Hände bohrten gegen die durchscheinende Plastikhaut.
»Blubb…
bloppp… buff… blopp«, machte es.
Artur Dixon
sah und hörte nichts davon. Er hätte dies alles für einen bösen Traum gehalten,
selbst wenn er in diesem Augenblick die Augen geöffnet hätte und Zeuge des
irrealen Vorgangs geworden wäre.
Was sich da
im Dunkeln abspielte, gehörte in das Reich der Phantasie.
Und doch
geschah es wirklich.
Die Skulptur
mit den blutverschmierten Händen schob sich mit etwas verkanteten Bewegungen
aus der Öffnung der Plastikhülle und richtete sich auf. Die zweite hatte
sichtlich etwas mehr Mühe, in die Freiheit zu gelangen. Die Falten am Oberteil
der Tüte waren so scharf eingeknickt, daß es der Skulptur einige Mühe
bereitete, die scharfen Knicke zu beseitigen. Die Tüte riß dabei zum Teil ein.
In der
Dunkelheit bewegten sich fast lautlos die beiden gut zehn Zentimeter großen
Figuren über die Tischplatte.
Die kleinen
Körper hoben sich nicht von der Düsternis ab.
Von draußen
her drang kein Lichtstrahl nach innen durch die Ritzen der Fensterläden. Am
Himmel waren Mond und Sterne von nachtschwarzen, bizarren Wolkenbergen
verschluckt.
Es entging
dem Schlafenden, daß etwas leise über seine Decke raschelte und daß die beiden
gespenstischen Gestalten etwas in ihren Händen trugen.
Die winzigen
Gesichter bewegten sich, die Augen lebten. Die kleinen nackten Brustkörbe hoben
und senkten sich unter schwachen Atemzügen. Sogar das winzige Herz in diesen
faszinierenden, unbegreiflichen Körpern schlug!
Die Henker
des Magiers waren unterwegs. Ein telekinetischer Kraftstrom durchpulste ihre
Körper, trieb sie voran und steuerte sie.
Sie dachten,
was der Magier dachte. Und doch waren sie Individuen.
Da, die
Wolkendecke draußen riß auf unter dem Sturm, der in der letzten halben Stunde
immer heftiger geworden war.
Für
Bruchteile von Sekunden wurde die bleiche Mondsichel sichtbar.
Ein heller,
geisterhafter Strahl fiel durch die Ritzen des Fensterladens, stand quer über
dem karierten Federbett und riß die gespenstische Szenerie aus der Anonymität der
nachtschwarzen Umgebung.
Die beiden
Skulpturen wirkten wie motorbetriebenes oder batteriegespeistes Spielzeug, das
ein liebevoller Vater für sein Kind gebastelt hatte.
Doch im
grünlich-weißen Licht des schon wieder langsam verlöschenden Mondstrahls, über
den Wolkenfetzen jagten, wirkten die menschlichen Gesichter wie Fratzen des
Satans. Das Böse zeichnete sich in der Mimik ab, die Augen glühten, die Lippen
waren eng zusammengepreßt, die Mundwinkel herabgezogen.
Zwischen den
kleinen Händen wirkte der aus dem blütenweißen Taschentuch Dixons entfernte
Gegenstand wie ein Speer. Im Mondlicht blitzte das Metall matt auf. Ein Strahl
lief glitzernd bis zu der Stelle, wo das verkrustete Blut das Metall verdeckte.
Die
Stricknadel!
Ein Alptraum
wurde Wirklichkeit.
Noch ehe der
Lichtstrahl völlig verlöschte, war zu erkennen, daß die beiden unheimlichen
winzigen Skulpturen auf dem oberen Ende der Decke standen und eine Figur jetzt
die Führung der Stricknadel übernahm.
Dann ging
alles blitzschnell.
Die Figur mit
den blutverschmierten Händen stieß zu, während die andere gleichzeitig auf die
Stirn Artur Dixons sprang.
Der Druck,
der hinter der Nadel saß, war so stark, daß die vorderen drei Zentimeter in
Dixons Kopf drangen.
Der
markerschütternde Schrei mischte sich mit dem Heulen des Sturmes.
Wild bäumte
sich Artur Dixon auf.
Er fühlte
etwas auf seinem Kopf, begriff aber schlaftrunken nicht, was es sein könnte,
und wußte in diesen schrecklichen Sekunden überhaupt nicht, ob er träumte oder
wachte.
Die Nadel
wurde aus seinem linken Auge gezogen. Dixon preßte die Hand auf die Stelle und
schüttelte sich vor Angst und Grauen, als die beiden unheimlichen Skulpturen
zum zweiten Mal innerhalb von drei Sekunden handelten.
Die Nadel
bohrte sich ins rechte Auge.
Dixon war wie
von Sinnen. Er schrie gepeinigt auf, warf die Decke zurück und schlug mit der
anderen Hand um sich, um den seiner Meinung nach unsichtbaren Gegner zur Seite
zu schleudern.
Beide Hände
vor die Augen gepreßt, torkelte er durch den finsteren Raum.
»Meine Augen…
mein Gott… Hilfe… Retcher… Mac-Sonan!« Schrill hallte seine Stimme durchs
Zimmer. Er stöhnte und keuchte, seinen Körper schüttelte es vor Angst und
Grauen.
Artur
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