088 - Die Alpträume des Mr. Clint
es
nicht mehr weitergehen!
Seit Wochen
schliefen sie getrennt. Im Schlaf schrie Harold Glancy auf, schlug um sich, war
unruhig und übernervös. Starke Mittel vertieften zwar den Schlaf, unterbanden
aber nicht die schrecklichen Träume, unter denen er litt. Im Gegenteil. Gil
Glancy hatte den Eindruck, als ob die Beruhigungs- und Schlafmittel seinen
Zustand eher verschlimmerten. So beschloß sie, hinter dem Rücken ihres Mannes
einen anständigen Arzt zu konsultieren und den Quacksalber Dr. Matthew Baily
endlich fallenzulassen.
●
Schwester
Susy hatte Nachtdienst.
Die
attraktive Zweiundzwanzigjährige saß in dem gemütlich warmen Zimmer. Vor ihr
auf dem Tisch lagen mehrere aufgeschlagene Magazine. Susy saß unmittelbar hinter
einer Glaswand, von der aus sie den Gang der Station übersehen konnte. Es
genügte nicht, sich nur auf die Lichtrufanlagen zu verlassen. Hier in diesem
Haus hatte es sich als notwendig erwiesen, auch die Patienten im Auge zu
behalten, welche die Zimmer verließen. Manch einer brauchte unerwartet Hilfe,
oder ein anderer fand sich nicht mehr so zurecht, wie er anfangs geglaubt
hatte.
Das Haus
diente ausschließlich psychisch Kranken.
Susy Wyngard
arbeitete seit drei Jahren hier. Die Arbeit war anstrengend, aber sinnvoll. Die
Schwester wurde völlig von ihr beansprucht.
Außer dem
Geräusch des raschelnden Papiers, das entstand, wenn sie ein Blatt umlegte,
herrschte vollkommene Stille.
Es war wenige
Minuten vor elf.
Da öffnete
sich die zweite Tür am Ende des Ganges. Ein Mann mit einem seidenen
Morgenmantel trat heraus, blieb kurz auf der Schwelle stehen und warf dann
einen Blick nach vorn zu dem Glashäuschen, wo sich Susys kurvenreicher
Oberkörper wie auf einer Leinwand abzeichnete.
Die Schwester
lehnte sich gerade zurück. Deutlich war zu sehen, wie sie die festen Beine
übereinanderschlug. Das Braun der Strümpfe verlieh ihren Schenkeln bei der
Bewegung etwas Erotisierendes. Auch der Kontrast zu der weißen, kurzen Tracht
fiel dem Beschauer ins Auge. Der Mann atmete tief durch. Sein bleiches,
angespanntes Gesicht nahm einen Ausdruck von Glückseligkeit an. Lautlos zog er
die Tür ins Schloß und bewegte sich auf leisen Sohlen Richtung Susy Wyngard.
Aufmerksam
hielt er die Szene im Auge, die von der kleinen Tischlampe erhellt wurde. In
dem Lichtkreis saß ruhig und schön Susy, aufmerksam eine Seite studierend, auf
der es um französische Modeneuheiten und -torheiten ging.
Die junge
Schwester bemerkte zunächst nicht, daß sich ihr jemand näherte.
Als aber der
Schatten von der Glasscheibe über sie fiel, zuckte sie zusammen, warf den Kopf
in die Höhe und starrte in das schmale, bleiche Gesicht des Kranken.
Susy erhob
sich.
»Mister
Haggerty?« flüsterte sie erstaunt.
Der
Angesprochene nickte, und ein Lächeln huschte über seine Miene. Er beeilte
sich, an die Tür zu kommen, ehe Susy sie von innen öffnen konnte.
»Sie sollten
längst schlafen«, meinte die Schwester leichthin. Kein Wort des Vorwurfs kam
über ihre Lippen, und sie bemühte sich, ruhig und gelassen zu erscheinen. »Fühlen
Sie sich nicht gut? Ist etwas in Ihrem Zimmer nicht in Ordnung?«
»Doch, danke,
Schwester.« Er machte einen nervösen Eindruck. Haggerty befand sich erst seit
einer Woche in diesem Haus. Er war nervenleidend und hatte bereits mehrere
Tests über sich ergehen lassen müssen, aber die Ärzte waren sich bis zur Stunde
noch unschlüssig über den Befund. »Ich hätte Sie gern einmal gesprochen.« Er
senkte seine Stimme.
Susy wußte
aus Erfahrung, daß es psychologisch richtig war, einen Kranken anzuhören.
»Wo drückt
Sie der Schuh, Mister Haggerty?« fragte sie fröhlich und ließ ihn herein.
»Schnarcht
einer Ihrer Zimmerkollegen so laut, daß Sie nicht schlafen können?«
Haggerty
verzog seine schmalen Lippen. In seinen dunklen Augen lag ein unsicherer,
gequälter Ausdruck. Er sah traurig aus, als wisse er über seinen Zustand
Bescheid.
Haggerty sah
nicht schlecht aus. Er hatte markante Gesichtszüge, eine hohe Stirn, dichtes,
gewelltes Haar und war eine gepflegte Erscheinung. Er war stets gut rasiert und
roch unauffällig nach einem dezenten After Shave.
Der Blick,
mit dem er sie musterte, gefiel Susy weniger, obwohl sie es gewohnt war, daß
sie mit ihren üppigen Formen die Blicke der Männer auf sich zog. Und sie hatte
es gern, wenn man ihr nachblickte. Sie wußte, daß sie gefiel.
Sekundenlang
war John Haggerty völlig in sich versunken. Seine Blicke schienen Susy
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