088 - Die Alpträume des Mr. Clint
Schwester
auf, Dixon zu benachrichtigen während er sich einen ersten Eindruck
verschaffte.
Der Mörder
hatte den Arzt bei der Arbeit überrascht. Es mußte alles schnell gegangen sein,
denn nichts wies darauf hin, daß Dr. Merredith noch zu einer Abwehrreaktion
gekommen war.
Blitzschnell
war ihm etwas Spitzes in die Schläfe gestoßen worden.
Larry
studierte genau die Lage des Körpers und des Kopfes.
Auf dem Tisch
in unmittelbarer Griffnähe des Toten lag eine Schere. Damit hätte der Mord
begangen worden sein können. Doch das war nicht der Fall. Es gab keinen
Blutspritzer oder sonstige Spuren auf der Schere. Beschmiert war sie auch
nicht, was den Gedanken hätte erzeugen können, daß der unbekannte Täter den
Gegenstand vielleicht abgewischt hatte. Dennoch würde eine Untersuchung der
Schere im Labor erfolgen müssen.
In der
Rechten hielt der Tote etwas umschlossen.
Durch die
Spalten zwischen den Fingern sah Larry etwas Bräunliches schimmern. Er drückte
die Finger von Dr. Merredith auseinander. Die Leichenstarre war noch nicht
eingetreten. In der Handinnenfläche befand sich eine etwa zehn Zentimeter große
Tonfigur.
Sie war
nackt. Der Mann, der diese kleine Skulptur geschaffen hatte, war ein Meister
seines Fachs.
Die kleinen
Finger waren naturgetreu nachgebildet, die Proportionen an dem Körperchen
stimmten genau. Das Gesicht war so echt, daß man den Eindruck gewann, als wäre
dies der perfekte Guß eines winzigen Körpers, als könne er jeden Augenblick
aufstehen und herumlaufen.
Dr. Merredith
schien diese Skulptur sehr eingehend betrachtet zu haben.
Warum?
Sie war
beschädigt. Im Angesicht des Todes mußte Dr. Merrediths Hand wie im Krampf die
Skulptur gepackt haben. Dabei war die Figur beschädigt worden. Der linke Arm
war angeknackst. Larry glaubte erst nicht richtig zu sehen, als er wahrnahm,
daß ein Gespinst aus haarfeinem weißem Material im Innern des braunen
Tonkörpers verlief.
Es sah aus
wie ein Skelett.
Es sah nicht
nur so aus, es war eins!
Larry drehte
dem Toten vorsichtig die kleine Tonfigur aus der Hand.
Er sah, daß
der Arm tatsächlich an hauchdünnen elastischen Fäden hing und hinter dem Knick
die zarten Knochen offenbar aus elfenbeinähnlichem Stoff geschnitzt waren. Das
Armgelenk war deutlich zu sehen. Larry gestand sich ein, daß er nie zuvor etwas
Ähnliches gesehen hatte.
Schwester
Susy kam wieder ins Zimmer.
Larry wandte
sich an sie. »Was ist das für eine Figur, Schwester?«
Susy Wyngard
zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Ich habe sie noch nie gesehen. Ist etwas
Besonderes damit?«
Larry
schüttelte den Kopf. »Das eben wollte ich gerade von Ihnen erfahren. Hat sich
Dr. Merredith künstlerisch betätigt? Kann es sein, daß es sein Hobby war,
menschliche Figuren naturgetreu mit verschiedenen Werkstoffen nachzubilden?«
Die
dunkelblonde Schwester dachte einen Moment nach. »Nein, das kann man nicht
sagen.
Mir
jedenfalls ist das nie aufgefallen. Möglich, daß Dr. Frelly etwas darüber weiß.
Die beiden Herren waren eng befreundet.«
»Aber wenn
Dr. Merredith ein solches Hobby gehabt hätte, wäre Ihnen das sicher
aufgefallen, nicht wahr?«
»Möglich.«
»Wie lange
sind Sie schon in diesem Sanatorium tätig?«
»Seit drei
Jahren, Doktor.«
»Wie war Ihr
Verhältnis zu Dr. Merredith?«
»Gut.«
Larry hätte
das Gespräch gerne weitergeführt, aber er wurde unterbrochen, als Inspektor
Dixon eintraf. Der fünfzigjährige Schotte sah aus wie ein
Bilderbuch-Kriminalist. Er hätte in jedem Film dieses Genres sofort eine
Hauptrolle angeboten bekommen. Ruhig, gelassen, etwas behäbig. Schon von der
Tür aus warf er einen Blick in die Runde, nickte mit dem Kopf, nahm seine
dickbauchige Havanna aus dem Mund und knurrte halblaut: »So langsam fange ich
an, mich heimisch zu fühlen. Das ist innerhalb von drei Wochen das fünfte Mal,
daß ich hier zu tun habe. Und jedesmal mitten in der Nacht. Entweder hat es
einer darauf abgesehen, mich zu ärgern und mir meine Nachtruhe zu stehlen, oder
es gibt wirklich so etwas Ähnliches wie einen Mitternachtsmörder.«
Mit Dixon
kamen zwei weitere Begleiter.
Sie hatten
den Auftrag, eventuelle Spuren zu sichern und fotografische Aufnahmen vom
Tatort zu machen. Sie begannen mit der Routinearbeit.
Dixon
herrschte wie ein kleiner König. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als
würde der Inspektor überhaupt nichts tun, außer herumzustehen und hin und
wieder an seiner Havanna zu ziehen.
Beiläufig
sprach er dabei mit
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