0880 - Ich will dein Blut, Sinclair!
Lachen gellte nach wie vor in meinen Ohren.
Es war geblieben…
Woher kam es?
Der Nebel entwickelte sich immer mehr zu einem Feind. Er sorgte dafür, daß es mir beinahe unmöglich war, die Richtung festzustellen. Es war vorhanden, ich mußte mich damit abfinden, und es drang in unterschiedlicher Lautstärke an meine Ohren.
Eines stimmte auch.
Da hatte kein Mann gelacht, sondern eine Frau. Eine bösartige Person, wobei ich an eine Waldhexe dachte und mich dabei an das Märchen Hänsel und Gretel erinnerte, in dem die Hexe auch so gelacht haben mußte.
Jetzt nicht mehr.
Schlagartig war es verstummt. Die plötzliche Ruhe gefiel mir ebenso wenig wie das Lachen. Ich kam mir wie umzingelt vor, drehte mich auch deshalb auf der Stelle und suchte nach irgendwelchen Lücken und der dunklen Nebelwand.
Es gab keine.
Nur die Stille blieb.
Und das plötzliche Knurren und gleichzeitige Knirschen in Höhe des Erdbodens, das in gewissen Intervallen auftrat, als würde jemand in einem bestimmten Rhythmus laufen. Rasch hintereinander klangen diese Intervalle auf. Ich kam mit ihnen noch nicht zurecht, bis ich plötzlich den langen, dicht über den Boden hinweghuschenden, phantomhaften Schatten sah, der nicht mal weit entfernt an mir vorbeihuschte und ebenso schnell wieder verschwunden war.
Ein Tier?
Ja, ein vierbeiniges. Ich dachte an einen Fuchs, an ein Reh, aber beides traf nicht so recht zu. Dieses Tier, wenn überhaupt, war anders gewesen, da kam eher ein Hund in Frage.
Wie dem auch war, ich sah es nicht mehr. Ich stand allein im Unterholz, umgeben von Bäumen und dichten, feuchten Nebeltüchern, die mir bestimmt keine Antwort gaben.
Es war nichts zu machen.
Man hatte mich gelinkt, man hatte mich an der Nase herumgeführt, aber ich wußte, daß es noch andere Wesen gab, die den Waldbevölkerten. Dennoch blieb mir nichts anderes übrig, als mich auf den Rückweg zu machen, und wohl war mir dabei nicht zumute, wenn ich an den Förster Brandon King dachte…
***
Brandon King war nicht begeistert gewesen, als John Sinclair ihn allein gelassen hatte. Es ging ihm dabei nicht um die Einsamkeit und um den Nebel der Nacht, das war er gewohnt, er dachte vielmehr über die Aussagen der Zeugen nach, die im Wald gewisse Tiere oder Monster entdeckt hatten, für die es keine logische Erklärung gab. Sie waren einfach da, sie hatten sich entwickelt, sie hatten zwischen den Bäumen und im dichten Unterholz ihre Verstecke gefunden, und sie würden sich, wenn sie diese verließen, auf die Menschen stürzen.
Soweit war es natürlich nicht, aber die Phantasie des Försters hatte sich selbständig gemacht, und so kam es, daß er sich dabei die tollsten Dinge ausmalte.
Einsam und in sich versunken hockte er auf dem Hochsitz, schaute nach vorn und hätte die Augen auch schließen können, denn mehr hätte er sowieso nicht gesehen.
Es gab einfach keine Lücken, der Nebel ließ nichts zu. Er hatte eine dunkelgraue Mauer gebildet, die sich zwar bewegte, aber nie an einer Stelle riß, um mit Hilfe des Glases dann mehr erkennen zu können.
Brandon wußte nicht, wie oft er schon das Glas an seine Augen gehalten und es wieder enttäuscht hatte sinken lassen, weil ihm einfach kein Blick in den Wald gegenüber gelang.
Hinzu kam die Größe des Gebiets. Wenn er ehrlich gegen sich selbst war, dann hatten die Wesen alle Chancen, um sich zu verstecken. Da konnte man tagelang den Wald durchsuchen, ohne auf eine Spur zu stoßen.
Was blieb, war die Hoffnung auf John Sinclair, daß der etwas herausfand. Leider blieb bei King auch das eigene Unbehagen zurück, denn dieser Hochsitz war für ihn kein sicherer Hort mehr geworden, obwohl ihn die Wand des Waldes von der rückwärtigen Seite her bedeckte.
Immer wieder bewegte er sich, schaute in alle Richtungen, blickte auch auf die Uhr, um ungefähr erkennen zu können, wie lange Sinclair schon fort war.
Er mußte raten, denn als Sinclair ging, hatte er nicht auf die Uhr gesehen. Nur wußte er auch, daß die Zeit, wenn man sich in einer Lage befand wie er, viel langsamer ablief. Zumindest hatte der Wartende dann das entsprechende Gefühl. So war es ganz natürlich, daß die Nervosität bei ihm zunahm.
Hin und wieder trank er einen Schluck Tee, aber auch nicht zuviel. Er konnte sich keinen Rausch erlauben und mußte voll konzentriert bleiben. Den genossenen Alkohol versuchte er durch das Verspeisen einer weiteren Tafel Schokolade auszugleichen, und er blieb nicht auf der schmalen Sitzbank hocken,
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