0880 - Ich will dein Blut, Sinclair!
andere damit zu erschrecken.
Nein, auf keinen Fall.
Was dann?
Der Begriff der Fledermaus kam ihm in den Sinn. Möglicherweise war er von ihr entführt worden, auch wenn er daran ebenfalls nicht so recht glauben konnte. Zuviel lief durcheinander. Es gab für ihn zu viel Querverbindungen, er wußte überhaupt nicht, was real war an dieser ganzen Geschichte.
Doch! Seine Lage, die Dunkelheit und der feuchte, kalte Boden! Er versuchte trotz allem, realistisch zu sein. Da man ihn nicht getötet hatte, wollte man etwas von ihm, und darauf richtete sich der Förster ein, was ihm auch half, seine Furcht zu unterdrücken.
Von nun an kümmerte er sich um den eigenen Körper. Er wollte herausfinden, wie gut er noch »funktionierte«. Stundenlang auf dem Boden zu liegen, war einfach unmöglich. So drückte er sich mit einer vorsichtigen Bewegung in die Höhe. Er stellte erfreut fest, daß ihm dies besser gelang, als er angenommen hatte. Zwar hatten die Schmerzen während der Bewegung zugenommen, so daß er für einen Moment die Hände gegen den Kopf preßte, aber er war ein Mensch, der sich schnell wieder fing und nicht an Aufgabe dachte. Zudem wollte er herausfinden, wo man ihn hingeschafft hatte.
Dem Geruch nach mußte er in einem Keller liegen, möglicherweise in einem Verlies mit verschimmelten Wänden und einer niedrigen Decke. In seiner Tasche steckte ein altes Sturmfeuerzeug, das auch jetzt seinen Dienst tun würde. Es war noch mit Benzin nachzufüllen und hatte einen richtigen Docht. Das hatte ihm schon gute Dienste in der freien Natur erwiesen.
Im Sitzen kramte er das flache Gerät hervor, wog es für einen Moment in der Hand und streckte den Arm dann vor. Er blieb in der angewinkelten Haltung, wartete noch einige Sekunden, dann rutschte sein Daumen über das Rad. Erste Funken zuckten, dann hatte die Flamme Nahrung gefunden, und die Dunkelheit wurde endlich zerrissen.
Nichts, gar nichts, abgesehen von dem Feuerschein. Er hob den Arm an und folgte der Flamme mit seinem Blick, die über ihm an der Decke einen schwachen Kreis hinterlassen hatte. An einer hohen Decke, wie er zugeben mußte, so konnte er auch unbesorgt aufstehen - und hatte sich etwas zuviel vorgenommen, denn das Verlies geriet ins Schwanken.
Er befand sich nicht auf einem Schiff, er stand noch an derselben Stelle, doch er brauchte nur eine gewisse Zeit, um sich finden zu können.
Es war jetzt okay.
King atmete durch.
Der Schmerz in seinem Kopf ließ sich ertragen. Als schlimmer empfand er die Lähmung in seinen Knochen. Überall spürte er den Druck, deshalb fiel es ihm schwer, die Arme als auch die Beine zu bewegen. Jedes Vorgehen, jeder Schritt, den er setzte wie ein kleines Kind, bereitete ihm Mühe, da spürte er jeden Muskel. Daß ihm der Schweiß ausbrach, war für ihn auch natürlich.
Brandon King tappte vor. Es fiel ihm zudem nicht leicht, den Arm ausgestreckt zu lassen. Auch dort waren die Muskeln verkrampft, nur die Flamme störte das alles nicht, sie brannte weiter, sie bewegte sich und schaffte es, neben dem Licht auch die tanzenden Schatten zu erzeugen, die über den Boden und die Wände hinweghuschten.
Das Verlies war groß, worüber sich der Mann wunderte. Eigentlich glich es schon einem Kellerraum, aber wo gab es den nahe des Waldes? Er konnte sich nicht vorstellen, daß er sehr weit entführt worden war, diese Mühe hätte sich niemand mit ihm gemacht, und trotz der Schmerzen in seinem Kopf ging er die verschiedenen Möglichkeiten durch, wobei er mit unsicher wirkenden Schritten weiterging, steif und verkrampft, wie jemand, der laufen lernt.
Brandon King fand nur eine Lösung. Man mußte ihn auch weiterhin in der Einsamkeit gelassen und in einen der noch vorhandenen Kellerräume in der nahen Ruine gesteckt haben. Das genau war es, alles andere ergab keinen Sinn.
Camdon Manor…
Diesmal beschäftigte sich der Förster mit dem Gedanken. Er hatte die Flamme wieder gelöscht, stand im Dunkeln da und überlegte, was er über diesen Ort im Wald wußte.
Nicht viel, denn seit er Förster war, hatte ihn Camdon Manor nicht interessiert. Weder beruflich noch privat. Er hatte damit nichts zu tun gehabt, kannte sehr wohl die Geschichten, die man sich über das Anwesen erzählte.
Spuken sollte es dort.
Darüber hatte King stets gelächelt, denn in England oder Schottland hatte eigentlich jedes Haus, das etwas auf sich hielt, einen eigenen Geist. Die Menschen hatten Camdon Manor gemieden, der letzte Besitzer war längst verstorben, er
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