0880 - Ich will dein Blut, Sinclair!
hatte sein Vermögen durchgebracht, und niemand hatte das abseits liegende Gebäude kaufen wollen. So war es dann dem Verfall preisgegeben.
Die Geschichten aber waren geblieben. Sie hatten sich nicht aus den Köpfen der Menschen vertreiben lassen, doch Beweise hatte es nie gegeben. Der Förster allerdings dachte jetzt anders darüber.
Dieses Wesen, das ihn entführt hatte, mußte etwas mit dem Spuk zu tun haben. Es war zwar nicht logisch gedacht, aber er sah es einfach als eine Folge dessen an, und so machte er sich innerlich darauf gefaßt, daß er diesem Spuk in Kürze begegnen würde.
Noch hatte er sein Gefängnis nicht untersucht, und das wollte er nachholen.
Im Schein der Flamme schaute er sich die Wände an, die gar nicht so dunkel waren, weil der feuchte Pilzbewuchs einen graugrünen Anstrich hinterlassen hatte.
Die Steine waren dick, sehr alt und so aufeinandergelegt, daß sie keine geraden Flächen bildeten und man durchaus von krummen Wänden sprechen konnte.
Dinge, die er als nebensächlich ansah. Wichtiger war da schon die Tür, die plötzlich in den Lichtschein des Feuerzeugs geriet. Für einen Moment huschte ein Lächeln über Kings Gesicht. Eine Tür war so etwas wie eine Hoffnung, aber er glaubte nicht daran, daß man sie offengelassen hatte.
Er mußte es trotzdem versuchen. Der Anblick hatte seine Bewegungen beflügelt, King erreichte sie schnell und war enttäuscht. Das Holz war verschimmelt, feucht, aber es sah trotz allem sehr stabil aus. Ohne Werkzeug kriegte er die Tür nicht auf.
Um sich das Schloß genauer anzusehen, mußte er etwas in die Knie gehen. Die Beinmuskeln schmerzten dabei. Er preßte die Lippen zusammen, hielt sich dabei tapfer und erlebte die nächste Enttäuschung, denn die Tür ließ sich von der Innenseite nicht öffnen.
Der Förster ging davon aus, daß sie außen durch einen oder mehrere Riegel gesichert war, für ihn war da nichts zu machen. Die Enttäuschung überschwemmte ihn wie eine Welle. Sekundenlang kehrte der Schwindel zurück. Er hatte Mühe, sich wieder zu fangen, was er erst schaffte, nachdem er tief durchgeatmet hatte.
Was tun?
King wußte es nicht. Irgendwann würden sie ihn holen. Oder kam nur einer?
Er wollte sich schon abwenden, um in die Mitte des Raumes zu gehen, als er jenseits der Tür das Geräusch hörte. Ein dünner Laut, nicht mehr, auch nicht zu identifizieren.
Vielleicht eine Stimme?
Brandon King wartete. Er hatte sich versteift. Wenn es tatsächlich eine Stimme gewesen war, dann hatte er es mit einem Menschen zu tun und nicht mehr mit einem durch die Luft segelnden Wesen.
Dann war plötzlich alles anders geworden, und wiederum überfiel ihn so etwas wie eine Hoffnung.
Er trat von der Tür zurück. Er löschte auch die Flamme und ging so weit zurück, bis er die feuchte Wand hinter sich spürte. Sie gab ihm Rückendeckung, und er lehnte sich an.
Vor der Tür veränderten sich die Geräusche. Etwas schabte ratschend über das Holz.
Doch ein langer Riegel.
Dann wiederholte sich das Geräusch etwas tiefer. Der Förster ging davon aus, daß ein zweiter Riegel geöffnet worden war. Aber die Tür blieb noch geschlossen. Nur war sie nicht ganz dicht, denn durch einige Ritzen sah er einen Lichtschein streifen, sehr hell und kalt. Von einer Kerze stammte er nicht. Wer immer dieses Verlies betreten wollte, er mußte eine Taschenlampe bei sich haben.
Und er drückte die Tür auf.
Nicht sehr schnell, sondern Stück für Stück. Das häßliche Knarren der alten Scharniere hörte sich an, als lägen irgendwelche Lebewesen in den allerletzten Zügen.
Das Licht war da.
Es bildete einen Kreis. Eine kalte grelle Sonne, die in die Finsternis hineinschien und es auch schaffte, den Gefangenen zu blenden, so daß King trotz den Lichts nichts erkennen konnte, von wem die Lampe gehalten wurde.
Nur schemenhaft zeichnete sich dahinter ein Körper ab. King selbst hatte den Arm angewinkelt und dort vor seine Augen gelegt. Er zwinkerte, er sah noch immer zu wenig, aber er hörte die Schritte, die sich auf ihn zubewegten.
Der grelle Lichtkreis bewegte sich ebenfalls. Er tanzte über seine Gestalt, über sein Gesicht und senkte sich erst nach unten, als auch die Tritte nicht mehr zu hören waren.
Brandon King senkte seinen Arm ebenfalls. Er wollte jetzt sehen, wer das Verlies betreten hatte.
Sein Blick war frei. Der Lampenstrahl blendete ihn nicht, die Person hatte ihn gedreht, damit auch sie aus der stockigen Finsternis geschält wurde.
Brandon King
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