0880 - Ich will dein Blut, Sinclair!
dem Hinweg. Ich paßte haarscharf auf, das Lachen hatte ich nicht vergessen. Es gab noch eine Person, die auf mich lauerte, eine Frau, eine Untote?
Ich rechnete damit, denn irgend jemand mußte den Förster zum Vampir gemacht haben.
Wieder sah ich das Gesicht des Truckers vor mir, der mir mit schwacher Stimme erklärt hatte, daß es noch einen Wolf gab. Er hatte auf seiner Kühlerhaube gesessen und sich eben in dieses fliegende Fledermauswesen verwandelt.
Die Frau, der Wolf, die Riesenfledermaus!
Drei verschiedene Personen, oder alles in einem?
Es konnte möglich sein, obwohl ich darauf keinen Eid leisten würde. Allmählich wurden die Schatten der Baumstämme dünner. Hohes Unkraut umwucherte meine Beine. Das Laub schlürfte über den Boden, wenn ich es aufwühlte, und kurze Zeit später erschienen bereits die Umrisse des vermoderten Herrenhauses.
Es juckte mir in den Füßen, die Räume noch einmal zu durchsuchen. Ich hatte meine Lampe mitgenommen, aber in der Finsternis brachte es nichts. Bei Tageslicht würde alles anders aussehen. Da würde sich der Vampir auch nicht zeigen, sondern sich versteckt halten, und ich kannte mich aus, was diese Verstecke von Blutsaugern anging.
Sie schliefen nicht nur in Särgen oder Kisten, oft genug verbargen sie sich auch in Kellern oder in unterirdischen Gängen und Gewölben.
»Ich komme wieder, keine Sorge«, flüsterte ich dem Gemäuer zu und machte mich auf die Socken.
***
Noch immer hielt sich das Licht des neuen Morgens zurück, aber ich hatte den abgestellten Range Rover erreicht, ohne daß es einen Zwischenfall gegeben hätte.
Der Wagen war mit einem feuchten Film überzogen. Bevor ich einstieg, schaute ich ihn mir von allen Seiten genau an und konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen.
Die fünfte Morgenstunde war schon vorbei, als ich die Tür öffnete und mich hinter das Lenkrad setzte. Welch eine Nacht! Ich schüttelte den Kopf und preßte wenig später die Hände vor das Gesicht. Ich mußte mir einige Sekunden gönnen, um ein wenig zur Ruhe zu kommen, denn ich war alles andere als ein Supermann.
Dieser Wald, diese gesamte Umgebung barg ein furchtbares Geheimnis, über das ich noch nichts wußte. Brandon King hatte es möglicherweise erfahren, es aber nicht mehr weitergeben können, und so stand ich wieder am Anfang.
Einen Fall wie diesen logisch anzugehen, war nicht ganz einfach, aber es mußte einfach Motive geben, und die konnten durchaus mit der Ruine von Camdon House zusammenhängen. Irgendwo würde ich bestimmt Unterlagen über dieses Haus auftreiben können und beim Lesen möglicherweise auf eine Spur stoßen.
Aber das am nächsten Tag.
Meine Hände sanken wieder nach unten und umschlossen das Lenkrad. Den Zündschlüssel hatte ich schon in den schmalen Schlitz gesteckt. Dann versuchte ich, den Wagen zu starten. Er sprang nicht sofort an, erst beim zweiten Versuch gab der Motor das vertraute Geräusch von sich, auf das ich gewartet hatte.
Ich schaltete die Scheinwerfer ein, die zwar ihr Bestes taten, aber den Morgennebel nicht so durchdrangen, wie ich es mir gewünscht hätte. Schon ein paar Armlängen weiter verbreiterten sie sich zu einem hellen See.
Der schmale Pfad war holprig, und an manchen Stellen tanzte der Wagen nur so darüber hinweg.
Man mußte bei diesem Wetter konzentriert fahren, das wußte ich, aber es würde sehr schwer werden. Schon kurze Zeit danach brannten mir die Augen, und die Müdigkeit war wie ein großer böser Feind, der mich nicht aus seinen Klauen lassen wollte. Ich kämpfte mit allen Mitteln dagegen an, hatte sogar das Seitenfenster nach unten gekurbelt, um die Kälte einzulassen, aber das brachte auch wenig. Kurz vor Erreichen der normalen Straße sah ich ein, daß es keinen Sinn mehr hatte, mich noch mehr zu quälen. Ich fuhr den Wagen links ran, um zumindest eine kleine Mütze voll Schlaf zu nehmen. Sekunden später fielen mir bereits die Augen zu…
***
Durch die nebelerfüllte Dunkelheit huschte ein grauer Schatten auf vier Beinen. Er hatte gesehen, was geschehen war, allerdings noch mit den Augen einer anderen Gestalt. Er konnte es nicht vergessen, das Bild wollte einfach nicht weichen - der starre Körper, das wächserne Gesicht, das Loch in der Stirn.
Sein Diener war tot.
Endgültig vernichtet. Er würde nicht mehr die Wonnen eines untoten Daseins erleben können. Er würde nicht mehr erfahren, wie köstlich das Blut eines Menschen schmeckte, es war für ihn vorbei, kaum daß es richtig angefangen
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