0882 - Der Sonnen-Dämon
gewesen, die eines unnatürlichen Todes gestorben wären. Da konnte er einige Namen aufzählen, die von der Rache des Pharaos getroffen worden waren.
Sie erkaltete auch nach Jahren nicht. War der Schwur einmal ausgesprochen, so blieb er auch, und Laroche hatte immer gehofft, daß er davon verschont bleiben würde.
Je mehr er über sein Problem nachdachte, um so stärker drang eine Lösung in sein Bewußtsein.
Dieses Gefühl der Furcht, gepaart mit dem Druck des dritten Auges hatte etwas mit ihrem Frevel aus der Vergangenheit zu tun.
Mit ihrem Frevel!
Auf das zweite Wort kam es ihm an. Er war nicht allein bei dieser Graböffnung gewesen. Er hatte noch einen Freund an der Seite gehabt. Zwar lebte Francis Clayton in London und er in Paris, das hatte sie jedoch nicht davon abgehalten, sich des öfteren zu sehen, auf Kongressen oder privat, und sie hatten auch immer wieder über ihr damaliges Erlebnis gesprochen. In der letzten Zeit allerdings nicht mehr. Jetzt kehrte sie zurück, sorgte für Laroches Unruhe und hatte sich auch auf seinem Gesicht niedergeschlagen, das noch hagerer geworden war. Sein Haar war grau geworden. Es wuchs dicht, buschig und drahtig auf seinem Kopf, federte auf den Ohren und reichte tief bis in den Nacken hinein. Laroche achtete nicht sonderlich auf sein Äußeres, und das bezog sich auch auf die Kleidung. Er besaß nur drei Anzüge. Einen für den Sommer, einen für den Winter und den dritten für zwischendurch.
Den trug er an diesem Tag. Einen senffarbenen Cordanzug mit Lederflicken an den Ellbogen. Darunter ein braunes Hemd ohne Krawatte. Dafür sahen die Knöpfe aus wie helle Perlen.
Er schaute nicht mehr durch das Fenster, sondern über die Platte seines großen Schreibtisches hinweg. Dort stapelten sich Unterlagen, Skizzen und Zeichnungen, ohne daß sie den Wissenschaftler bei seiner Arbeit störten. Er war dabei, einen Katalog zu erstellen, den das Institut herausbringen wollte. Laroche hatte dabei die ägyptische Ecke übernommen und war gezwungen, sich alte Fundstücke genauer anzusehen, die ihm ein Fotograf so aufgenommen hatte, wie er es wollte. Diese Fotos verteilten sich ebenfalls auf seinem Schreibtisch. Eine alte Schreibmaschine war davon eingekreist, und zahlreiche Stifte lagen kreuz und quer.
Für all diese Gegenstände hatte Laroche keinen Blick. Mit gefurchter Stirn schaute er das alte Telefon an. Es war sein Draht zur Außenwelt und zum einen Mann namens Francis Clayton. Laroche hatte den Nachmittag hin und her überlegt, ob er den Freund in London anrufen und ihm von seinen Gefühlen berichten sollte. Immer wieder hatte er gezögert, schon zweimal den Hörer in der Hand gehabt, wobei er einmal durch eine Botin gestört worden war, die neue Fotos gebracht hatte.
Mittlerweile war es Abend geworden. Er würde Clayton an seiner Arbeitsstelle nicht mehr erreichen können, also mußte er es bei ihm in der Wohnung versuchen.
Wie Laroche so lebte auch Clayton seit seiner Scheidung vor zwei Jahren allein. Laroche hatte erst gar nicht eine neue Heirat angestrebt. Bei seinem Lebensstil wäre jede Frau schnell weggelaufen, ein Zusammenleben mit ihm konnte er keinem weiblichen Wesen antun. Er fühlte sich auch als älterer Junggeselle recht glücklich, auch weil er so stark mit seiner Arbeit verbunden war.
Wieder zuckte seine Hand zum Apparat. Er umschloß mit einer Hand den Hörer, ließ ihn jedoch auf der Gabel liegen.
Soll ich? Soll ich nicht?
Noch immer überlegte Laroche. Er wollte seinen englischen Freund und Kollegen auch nicht beunruhigen. Auf der anderen Seite aber gehörten beide zu den Psychonauten. Gelegentlich standen sie im Brennpunkt.
Er hob den Hörer ab.
Die Nummer kannte er auswendig. Während er den Hörer zwischen Schulter und Kinn festklemmte, lauschte er den Drehgeräuschen der Wählscheibe. Das Freizeichen erklang, und Laroche hoffte, daß in London jemand abhob.
Er hatte Glück. Schon bald hörte er die Stimme, die sich mit den neutralen Worten »Ja, bitte?« meldete.
Der Franzose runzelte die Stirn. War das sein Freund Clayton?
»He, wer sind Sie?«
Laroche schluckte den Kloß hinunter. Er legte plötzlich auf und spürte den kalten Schweiß auf seinem Gesicht. Hinter der Stirn hatte sich der Druck verstärkt. Er konnte nicht mehr sitzenbleiben, stand auf und durchwanderte sein geräumiges Büro mit der hohen Decke und den ebenfalls hohen und altmodischen Heizkörpern, deren grüne Farbe allmählich abblätterte. Er ging über die knarrenden
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