0887 - Das Horror-Pendel
wenigsten Gondeln besetzt, aber zu leer war es auf dem Dom auch nicht, da das Wetter einen Besuch durchaus zuließ.
Schulkinder hatten wohl ihren Wandertag zum Dom hin verlegt.
Die Jungen und Mädchen bevölkerten den großen Platz, verteilten sich aber schnell und hatten ihren Spaß. Unter großem Gekreische und Gejohle suchten sie sich die entsprechenden Attraktionen aus.
Es gab für sie Sonderpreise, was auch weidlich ausgenutzt wurde.
Auch Harry wäre gern locker über den Dom gewandert. Das allerdings wollte ihm nicht gelingen. Er mußte ständig an die Verschwundenen denken und machte sich auf den Weg zu seinem Ziel.
Der Fahrer hatte sich nicht geirrt. Das Psycho-Haus war sehr bald gefunden, denn auf der rechten Seite fiel das alleinstehende Gebäude auf. Es war außen düster, und seine Form erinnerte sehr an das Haus aus dem Film PSYCHO. Deshalb hatte man ihm wohl auch den Namen gegeben.
Harry kannte den Film. Nicht aus dem Kino. Er hatte ihn nach der Wende mal auf dem Bildschirm gesehen und war begeistert davon gewesen. Auch jetzt, beim Anblick des anderen Hauses, konnte er sich diesem Einfluß nicht entziehen. Es mochte auch daran liegen, daß ihm der Film stark ihm Gedächtnis haften geblieben war.
Eigentlich interessierten sich Kinder und Jugendliche immer besondersfür außergewöhnliche Dinge. Vor allen Dingen dann, wenn sie gruselig waren. Seltsamerweise schien sich keiner der Besucher für das Haus zu interessieren. Vielleicht lag es an der rauhen, unheimlich klingenden Stimme, die aus den Außenlautsprechern drang. Sie wollte die Gäste mit überzeichneten Sätzen und Worten ins Haus locken. Immer wieder sprach sie von den kaum beschreibbaren Ängsten, von dem Haus, in dem die Schrecken wahr wurden und das Grauen über die Wände hinwegfloß. Wo es zu einer ersten Begegnung mit der Hölle kommen würde, und wo der Besucher bis hinab zum Teufel fuhr.
In den kleinen Sprechpausen klang das rauhe Gelächter auf, das sensible Menschen sicherlich abschreckte.
Die Frau in dem schmalen Kassenhäuschen zog ein gelangweiltes Gesicht und ärgerte sich wohl, daß die Besucher so wenig Interesse für ihre Attraktion zeigten. Sie schaute auf, als Harry Stahl auf das Kassenhäuschen zuging. Ein Gang durch das Haus kostete vier Mark. Harry legte einen Schein hin, und die Frau suchte nach Wechselgeld.
»Ist es auch nicht zu schlimm?« fragte Stahl. Er hatte sich gebückt, um die Person durch die Scheibe ansprechen zu können.
»Kommt darauf an.«
»Nun ja, ich bin ein etwas ängstlicher Mensch. Ich habe da von der Hölle etwas gehört und…«
Er erhielt die Eintrittskarte und einen schiefen Blick zugesandt.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Meister?«
»Das hatte ich nicht vor.«
»Machen Sie Ihre Runde, dann werden Sie ja sehen, wo Sie landen. Ist das ein Vorschlag?«
»Und ich komme aus dieser Hölle wieder heraus?«
»Glaube schon.«
»Sind alle wieder herausgekommen?«
Die Person war mißtrauisch geworden. »Was soll das? Weshalb fragen Sie so komisch?«
»Ich meine ja nur.«
»Wenn Sie meinen, können Sie sich in das Kinderkarussell setzen und die Karte zerreißen.«
Stahl lachte. »Eine gute Idee, wirklich. Ich werde es mir überlegen.« Er schaute noch einmal an der Fassade hoch und hörte das dröhnende Lachen.
»Und?«
»Ich werde gehen.«
»Dann viel Spaß.«
»Danke.«
Harry wandte sich nach links und hatte schon sehr bald den Gittergang betreten. Um den Eingang an der Seite zu erreichen, mußte er zahlreiche Ecken und Kurven überwinden. Er ließ sich dabei Zeit, schaute sich immer wieder die düstere Fassade an, lauschte auch der dröhnenden Stimme, blickte noch einmal zurück und entdeckte einige Jugendliche, die sich vor dem Haus versammelt hatten und darüber diskutierten, ob sie es betreten sollten oder nicht.
Er jedenfalls tat es, und schon nach den ersten Schritten hielt ihn die Dunkelheit umklammert. Für einen Moment war Harry irritiert, ging weiter – und schrak zusammen, als plötzlich vor ihm ein Monster aus der Finsternis erschien und ihn anglotzte.
Auch in dem Haus mußte er um Ecken gehen, er schob sich durch die Gänge, erreichte auch eine Treppe, die nicht so einfach zu überwinden war, weil von den Decken herab Stangen hingen, die die Treppe noch enger machten.
Mit Händen und Schultern drückte er sie zur Seite, stieg wieder eine Treppe hoch, erlebte die gleichen Hindernisse, ging auch über einen weichen Boden, sah hin und wieder schreckliche
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