0888 - Bis die Würmer dich zerfressen
…?«
»Sind Sie bereit?«
Er schaute mich an. Ich erkannte in seinen Augen, daß er es nicht begriffen hatte. Mir war es egal, ich würde meinen Weg gehen, das stand fest.
»Die Würmer sind stärker…«
»Das werden wir sehen«, sagte ich.
»Nein, tu es nicht!«
»Was denn?«
»Ihr müßt fliehen, solange noch Zeit ist. Amero läßt sich nicht aufhalten. Er ist als Monster aus seinem Grab zurückgekehrt, in das man ihn damals gesteckt hat…«
»Wo war das?« fragte ich. »Ist es auf dem Friedhof gewesen?«
»Nein, in seiner Burg, in seinem Castell, von dem noch etwas zwischen den Felsen steht.«
»Da hat er damals gewohnt?«
»Ja, es war sein Stützpunkt. Von dort ist er über das Land geritten, um die Menschen zu foltern, zu verbrennen und zu töten. Aber auch er wurde älter, und irgendwann haben sich mutige Frauen zusammengefunden und ihn umgebracht.«
»Frauen?«
»So sagt man«, flüsterte de Luca.
»Welche?«
»Ich weiß es nicht genau. Aber Frauen, die sich mit Geistlichen eingelassen haben. Sie selbst fürchteten sich davor, entlarvt zu werden, und sie waren so mutig, um sich Amero zu stellen. Ja, sie haben ihn getötet. Sie haßten ihn alle. Er war kein richtiger Mönch, er war ein Templer, ein Abtrünniger…«
Bei dem Begriff zuckte der Abbé zusammen. Auch er war ein Templer, aber er gehörte zur anderen Seite, und er wußte sehr genau, daß es leider zahlreiche Abtrünnige gab, die sich auf die falsche Seite gestellt hatten und Baphomets Weg gingen.
Wahrscheinlich hatte auch Amero zu ihnen gehört, was in diesem Fall nicht wichtig war.
Ich fragte weiter. »Was berichtete die Geschichte noch? Wie haben die Frauen ihn getötet?«
De Luca holte Luft, grinste und sagte: »In den alten Chroniken steht zu lesen, daß sie eine sehr junge Frau als Lockvogel losgeschickt haben. Nachts ist sie vor das Tor des Castells getreten und hat so lange gerufen, bis Amero erschien. Er wollte sie haben, er war gierig nach dem festen Fleisch einer jungen Frau, aber er war auch schon älter und nicht schnell genug. Das junge Mädchen lief ihm weg, es verschwand, doch er eilte ihm nach. Und er lief in die Falle. Die anderen Frauen haben auf ihn gewartet. Sie töteten ihn aus dem Hinterhalt. Sie warfen die Lanzen in seinen Körper. Sie nagelten ihn auf den Boden. Sie traten ihn, sie stießen Messer in seinen Körper, sie ließen ihn ausbluten und warfen seinen Kadaver in ein Loch, das sie zuschütteten.«
»War das alles?«
»Nicht ganz. Sie versuchten noch, sein Castell niederzubrennen, was nicht ganz klappte, denn einige Mauern blieben stehen, und das Gewölbe ist auch noch vorhanden.«
Das wußte ich. Sogar das Mordpendel war noch da. Aber die Vergangenheit interessierte uns jetzt nicht mehr. Amero hatte sie überwunden, er hatte die Vergangenheit zur Gegenwart gemacht, denn er war als Monstrum zurückgekehrt. In ihm war das Böse, aber es war mit seinem Tod nicht vergangen, und meine erste Theorie, daß die Würmer seinen bösen Geist übernommen hatten, schien sich zu bewahrheiten.
De Luca schnappte nach Luft. Dann würgte er. Die Zunge erschien zwischen seinen Lippen und mit ihr zwei ziemlich lange, helle Würmer, die sich auf der nassen Fläche bewegten.
»John, ich denke, daß es Zeit wird«, sagte Suko. »Er ist völlig verseucht…«
Ich nickte. »Ja, aber ich habe noch eine Frage an ihn.« Leider mußte ich mir Zeit lassen, denn mit herausgestreckter Zunge konnte er nicht sprechen, und die beiden hellen Würmer schienen es sich darauf bequem machen zu wollen, denn sie hatten sich zusammengeringelt, was de Luca auch nicht paßte. Er klaubte sie von der Zunge weg und drückte sie zusammen. Dann warf er die Reste zu Boden.
»De Luca!«
Er schaute mich an.
»War Amero bei Ihnen?«
»Ja!« keuchte er. »Ja, er ist bei mir gewesen. Er kam mit seinen Helfern. Er drang bei mir ein, sie überschwemmten mich. Die Kirche gehört ihnen, der Boden gehört ihnen, alles ist verseucht. Und ihr werdet auch bald ihm gehören.«
»Dann kontrolliert er das Gebiet?«
»Ja, das tut er. Die böse Macht des grausamen Templers ist zurückgekehrt.«
Das wollten wir auf keinen Fall. Ich sah, daß der Abbé sekundenlang die Augen geschlossen hielt, tief Luft holte und die linke Hand zur Faust ballte.
Ein Zeichen, das mir galt.
Ich zögerte nicht länger.
Der Pfarrer schien zu ahnen, daß etwas Besonderes auf ihn zukam, denn er veränderte seine Sitzhaltung. Diesmal preßte er den Rücken gegen die Lehne
Weitere Kostenlose Bücher