0889 - Der Robot-Vampir
weiß nur, daß mein Kreuz irgend etwas in ihr oder bei ihr ausgelöst hat, und das konnte sie nicht verkraften. Es hat sie überfallen, es hat sie mitgerissen und dabei verzerrt.«
»Ja, sie wurde kleiner«, murmelte Glenda, »und sie ist dann in etwas hineingezogen worden, mit dem ich nicht zurechtkomme. Sie ist einfach verschwunden, da muß sich… muß sich… eine andere Welt ihr gegenüber geöffnet haben, denke ich.«
»Das kann sein.«
Glenda schluckte. Ihre Augen wurden groß und staunend. »Unter Umständen eine andere Dimension?«
»Das ist auch möglich.«
Glenda wischte über ihre Augen. Dann lehnte sie sich gegen mich. »Halte mich bitte nicht für ängstlich, John«, flüsterte sie, »aber ich habe Angst, große Angst. Ich spüre einen Druck, der mir beinahe den Atem nimmt. Ich komme damit nicht zurecht. Ich habe den Eindruck, als würde etwas auf mich einströmen, mit dem ich nicht mehr fertig werde. Es ist alles so anders geworden. Ich habe das Gefühl, daß etwas in unsere Welt hineingerast ist, mit dem ich nicht zurechtkomme. Etwas Fremdes, etwas, von dem wir beide noch nichts gehört haben.«
»Das kann sein.« Ich ärgerte mich selbst über die Antwort, aber ich war einfach nicht in der Lage, ihr eine andere zu geben. Auch ich fühlte mich hilflos, und ich merkte auch, daß mein Herz schneller als gewöhnlich schlug.
Daß Glenda plötzlich lachte, verwunderte nicht mal. Sicherlich mußte sich die Spannung erst freie Bahn verschaffen. »Weißt du was, John?« Sie lachte weiter, um dann tief Luft zu holen. »Es ist ja so. Ich… ich… oder wir müssen ja dem Arzt noch eine Erklärung über das geben, was geschehen ist. Dieser Walcott wird durchdrehen, der begreift die ganze Welt nicht mehr. Der wird uns erklären, daß wir die Leiche gestohlen haben.«
»Und wo sollte sie sein?«
»Weggezaubert.« Sie lachte wieder. Es wurde als schrilles Echo von den glatten Wänden zurückgeworfen. Für einen Moment schloß sie die Augen und holte tief Luft.
Ich trat dicht an die Bahre heran und schleuderte das Tuch zur Seite. Vor mir lag die leere Unterlage. Keine Tote mehr, wir hatten uns nicht geirrt. Sie war verschwunden, einfach weg, als hätte man sie fortgerissen.
»Was willst du jetzt tun, John?«
»Ich hole Walcott.«
Glenda verdrehte die Augen, bevor sie gottergeben nickte. »Ja, das kannst du tun, aber ich bleibe trotzdem hier. Schließe nur nicht die Tür.«
»Keine Sorge.«
Als ich ging, schüttelte Glenda den Kopf. Dr. Walcott hatte schon auf mich gewartet. »Na, haben Sie alles gesehen?« rief er mir mit forscher Stimme zu.
»Ja.«
Er kam auf mich zu. »Kommen Sie bitte mit«, bat ich ihn. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
»Da bin ich aber gespannt.«
Er war nicht nur gespannt, er war sprachlos und entsetzt, als er auf die leere Bahre starrte. In seinem Kopf mußten die Gedanken querschießen, denn so etwas hatte er noch nicht erlebt. Er schnappte nach Luft, dann kriegte er einen roten Kopf und starrte mich aus kurzer Entfernung an. »Was haben Sie mit der Toten gemacht, Sinclair?«
»Nichts.«
»Erzählen Sie doch keinen Mist!«
»Sie ist verschwunden, Doktor!«
Er sah aus, als wollte er mich angreifen. Selbst in dieser kalten Leichenhalle bekam er Hitzewellen.
»Ich sage Ihnen was, Sinclair. Wenn Sie mich hier verarschen wollen, dann haben Sie sich den Falschen ausgesucht. Ich lasse mich von Ihnen nicht fertigmachen.« Er deutete mehrmals mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die leere Bahre. »Wer immer Sie auch sein mögen und welche Funktion Sie auch immer einnehmen, hier bin ich der Chef, und ich will wissen, was mit der Toten geschehen ist!«
»Begreifen Sie endlich, daß es Sie nicht mehr gibt, verdammt noch mal!«
»Das sehe ich ja. Aber es muß einen Grund dafür geben. Oder können Sie zaubern, Sinclair? Sind Sie besser als David Copperfield? Es ist nämlich unmöglich, eine Leiche aus diesem Raum zu entführen, ohne daß wir es mitbekommen hätten.«
»Eben, Sie sagen es.«
»Wo ist sie dann?« fauchte er mich an. Sein Gesicht rötete sich zusehends. Er hatte die Tür nicht ganz geschlossen.
Der Klang seiner Stimme war auch von seinen Kollegen gehört worden, sie hatten sich an der Tür versammelt, starrten in den Raum, wagten aber nicht, sich einzumischen. Und sie hörten auch zu, was ich dem Arzt sagte: »Sie müssen es in diesem Fall hinnehmen, daß die Leiche verschwunden ist.«
»Aber ich kann es nicht!« Er schlug sich selbst gegen die Stirn.
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