0889 - Eishauch des Todes
friedlich und ruhig, hörte sie ein letztes Wort, das sie mit hinüber nahm in die Ewigkeit: »Danke.«
***
Zamorra wurde bereits erwartet. Man ließ ihn ohne große Fragen zu Chefinspektor Pierre Robin durch. Robins Mitarbeiter Joel Wisslaire winkte den Besucher durch - sie kannten sich flüchtig von früheren Abenteuern her.
Robin rauchte Pfeife, wie meist, wenn ihm die Zeit dazu blieb - oder wenn er verzweifelt war. Es half ihm angeblich, seine Gedanken zu sortieren. Zamorra konnte der Raucherei nichts abgewinnen.
»Obwohl es noch nicht lange her ist, dass du angerufen hast, Zamorra, ist seitdem etwas passiert.«
»Und das wäre?«
»Eine neue Leiche wurde gefunden. Ein Mädchen, neunzehn Jahre. Monika Richter, eine junge Deutsche, die auf Besuch in unserer Stadt war. Wäre sie doch zuhause geblieben. Man fand sie in einem Hinterhof, zwischen zwei Mülltonnen abgelegt. Dass sie dort nicht gestorben ist, steht fest… das ist aber auch alles. Sonst gibt es, wie in letzter Zeit üblich, keine Erklärungen.«
»Lass mich raten«, bat der Meister des Übersinnlichen. »Sie ist zierlich, hat lange blonde Haare, blaue Augen, eine breite Nase und…«
»… wulstige Lippen, genau. Wie alle Frauen dieser Mordserie. Es gibt wie bei allen Opfern keine Anzeichen äußerer Gewalt. Keine Wunden, keine Gifte, rein gar nichts. So als wäre sie einfach so gestorben.«
Der Chefinspektor stand auf, ging um den breiten, von Papieren übersäten Schreibtisch, und umarmte Zamorra - kurz, aber herzlich.
»Dass es dich so sehr freut, mich zu sehen, hätte ich auch nicht gedacht.«
»Weißt du, der Fall bereitet mir Magenschmerzen, und nun weiß ich, dass du mir helfen wirst. Das ist ungemein beruhigend.«
»Halte mich bloß nicht für einen Helden.« Professor Zamorra gab einen knappen Bericht der letzten Vorfälle. »Das dürfte Beweis genug dafür sein, dass ich kein Superheld wie aus einem Comic bin. Dieser einfache Killer hätte mich fast erwischt.«
»Als einfach würde ich ihn nicht gerade bezeichnen. Er hat dich und Nicole lediglich in einem unbedarften Moment erwischt. Im Château fühlt ihr euch sicher, vielleicht ist es der einzige Ort auf der ganzen Welt, an dem ihr vor Angriffen eurer Feinde sicher seid.«
»Zumindest glaubten wir das bis vor kurzem. Jeder Einbrecher kann den Abwehrschirm überschreiten, ohne auch nur auf das geringste Hindernis zu treffen. Vielleicht sollten wir den Schirm um eine normale Alarmanlage ergänzen. Aber dann wiederum käme ich mir vor wie in einem Tresor. Das Château als Hochsicherheitstrakt… nein, das kann ich mir absolut nicht vorstellen.«
Wie immer trug Robin seinem Posten nicht völlig angemessene, fast schnodderig zu nennende Kleidung. Die Jeans war über dem Knie eingerissen und mit einem breiten Flicken repariert worden. Das braune Sakko war zerknittert, als hätte Pierre nicht nur den gesamten Tag, sondern auch die vergangene Nacht darin verbracht.
»Der Killer hinterlässt keine Spuren«, sagte der Chefinspektor. »Es gibt keine Fingerabdrücke, keine Hautschuppen, rein gar nichts… niemand hat je einen der Morde beobachtet, und von der Tatwaffe können wir uns schon gar kein Bild machen. Falls es überhaupt eine gibt. Zumindest gilt das für die Frauen-Mordserie. Bei den männlichen Leichen sieht das ganz anders aus - die werden schlicht und einfach erschossen.«
»Wieso hast du mich nicht angerufen?«
»Nichts wies darauf hin, dass es in dein Ressort fallen könnte - und seit wann kümmerst du dich um Serienmörder?«
»Wenn sie aus Holz bestehen und ganz offensichtlich magisch beseelt sind, dann schon.«
Robin zerknüllte eines der zahlreichen Blätter auf seinem Schreibtisch zu einer Kugel, die er in Richtung Papierkorb schnippte. Dieser quoll bereits über; das Blatt landete zwischen Mülleimer und der Wand, wo sich ein gutes Dutzend solcherlei entsorgter Notizzettel befand. »Ich habe mit dir schon die verrücktesten Sachen erlebt, Zamorra - aber diese Story klingt sogar aus deinem Mund unglaubhaft.«
Der Meister des Übersinnlichen grinste. »Welcher Teil gefällt dir besonders?«
»Warum stirbt eine Puppe aus Holz, wenn sie sich eine Kerbe schlägt? Sie verliert kein Blut, es werden keine Organe verletzt… nichts!«
»Diese Frage brennt mir selbst auf den Nägeln - ich kann sie dir nicht beantworten. Noch nicht.« Zamorras Blick fing sich an einem Stapel Fotos, bei dem die Bilder nicht plan aufeinanderlagen und so einige Details preisgaben, die
Weitere Kostenlose Bücher