0889 - Eishauch des Todes
Zamorra. Es kam nicht das übliche Spinnen-Sie? oder das ebenfalls schon allzu oft gehörte W as-wollen-Sie-denn-mit-diesem-Ding ?, sondern der Mediziner streckte die Hand aus. »Interessant… darf ich?«
Der Parapsychologe legte das Amulett in die Hände seines Gegenübers. Er war davon überzeugte, dass von ihm keine Gefahr ausging, und notfalls konnte er die Silberscheibe jederzeit durch einen einzigen konzentrierten Gedankenimpuls zu sich rufen.
»Ein Zauberamulett. Wirklich hochinteressant. Wissen Sie, Monsieur Pierre Robin gehen so einige Gerüchte voraus. Ich habe schon oft mit ihm zusammengearbeitet und sah diese Gerüchte nie bestätigt. Es heißt, manche Mordfälle schiebt er…« Er räusperte sich. »… schiebt er dämonischen Mächten unter. Das sorgt für einigen Spott unter den Kollegen, aber keiner kann ihm nehmen, dass er eine Erfolgsquote von über neunzig Prozent aufweist.«
»Wenn diese… Gerüchte die Runde machen, dann haben Sie doch bestimmt auch schon von mir gehört?« Zamorra lächelte schmallippig. »Ich bin derjenige, der mit Robin bevorzugt auf Dämonenjagd geht.«
Nur ein Kopf schütteln antwortete ihm, sonst gab es keine Erwiderung auf seine Worte. Podhalanski drehte die Silberscheibe nachdenklich zwischen seinen Fingern.
»Ich komme aus einem Land, in dem es alte Überlieferungen gibt. Vor allem in ländlichen Gegenden glauben viele noch an Geister und andere dunkle Wesen. Meine Eltern gehörten noch zu einer Generation, die in ihrer Kindheit mit der modernen Zivilisation kaum in Berührung gekommen sind. Sie haben mir einiges mit auf den Weg gegeben, und seit ich diese blonden Leichen untersuchen muss, denke ich oft daran.«
Zamorra horchte auf. Sollte er per Zufall auf eine interessante Spur gestoßen sein? Die nächsten Worte zerschlugen diese Hoffnung wieder.
»Ich weiß, dass es Dinge gibt, die sich mit unseren wissenschaftlichen und medizinischen Methoden nicht erklären lassen. So auch in diesem Fall. Deshalb verspotte ich Sie nicht, Monsieur - ebenso wenig wie den Chefinspektor. Wo ist er übrigens?«
»Er versprach, bald nachzukommen. Vor der Klinik klingelte sein Diensthandy.«
Als hätte Pierre Robin nur auf diese Aufforderung gewartet, öffnete er in diesem Moment die schwere Tür, die in die Leichenhalle führte. »Es gibt Arbeit«, meinte er. »Für uns alle drei.«
Er trat ein, und nach ihm wurde eine Leiche in den Raum gefahren. Dem Toten fehlte der halbe Hinterkopf.
»Wenigstens gibt es dieses Mal über die Todesursache keinen Zweifel«, meinte der Meister des Übersinnlichen sarkastisch.
Podhalanski schaute sich die Leiche ohne eine sichtbare Regung an. »Der Killer hat eine äußerst brutale Waffe benutzt. Genau wie in den anderen Fällen. Umgangssprachlich nennt man es Dum-Dum-Geschoss - beim Projektil liegt die Spitze frei, wodurch die Energie, so makaber es klingt, viel effektiver…«
»Ich weiß«, unterbrach Zamorra.
Der Mediziner wandte sich zu ihm um. »Ich vergaß, dass ich einen Professor vor mir habe.«
Ob diese Aussage spöttisch gemeint war, konnte Zamorra nicht beurteilen - sein Gegenüber besaß wirklich das perfekte Pokerface. In Glücks-Spielhöllen hätte er wahrscheinlich mehr Geld machen können als in der Gerichtsmedizin. »In der Parapsychologie lernt man wenig über Dum-Dum-Geschosse und Waffentechnologie«, sagte er trocken. »Die Praxis bringt allerdings leider mit sich, dass ich auch dabei so einige Erfahrungen gesammelt habe.«
Dass er nur in den seltensten Fällen mit menschlichen Verbrechern und deren Waffen zu tun hatte, verschwieg Zamorra. Die Höllenkreaturen besaßen andere Möglichkeiten, ihre Opfer zu töten - auf Pistolen waren sie nun wahrlich nicht angewiesen. Doch auch da hatte der Meister des Übersinnlichen schon die verrücktesten Dinge erlebt. Ein Fall, bei dem vermeintlich normale Projektile auf magischen Weg verändert worden waren, lag noch gar nicht so lange zurück.
Owczarek Podhalanski setzte Zamorra darüber in Kenntnis, dass sich diese zweite Mordserie grundlegend von der ersten unterschied. »Es handelt sich zweifellos um einen anderen Killer - auch die Zeitpunkte der Morde, soweit sie sich bestimmen lassen, lassen diese Schlussfolgerung zu. Über die Blonde-Frauen-Leichen haben wir gesprochen. Die männlichen Leichen werden stets mit einem brutalen Kopfschuss umgebracht.«
»Es scheint zunächst keine Verbindung zwischen diesen beiden Serienkillern zu geben«, sagte Pierre Robin. »Aber es ist
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