089 - Lebende Leichen
weißen Schrank, der dort im Rücken der Männer stand.
Eine Tür begann sich ruckartig zu öffnen, eine wächserne Hand griff aus dem Spalt und drückte die Tür langsam auf. Im Halbdunkel des Schrankinnern stand aufrecht ein nackter Mann! Das Gesicht war eine Maske des Todes. Um Kopf und Kinn hatte er eine weiße Binde gewickelt.
Wie ein Roboter hob die Gestalt den rechten Fuß und setzte ihn im Zeitlupentempo auf den Boden. Dann folgte ebenso ruckartig der andere Fuß.
Der Tote war aus dem Schrank herausgetreten!
Larry Brent hörte den Chefarzt einen unnatürlich hohen Schrei ausstoßen. » Dort … dort ist er! «
Die Männer am Schreibtisch wandten sich um und standen unbeweglich, als habe sie blitzartig eine Lähmung überfallen.
Der tote Mann machte einen weiten Schritt. Seine Augen, die gläsern und unbeweglich wie die einer Puppe waren, sahen durch sie hindurch.
Er verharrte einen Augenblick. Dann drehte er mechanisch seinen Kopf zur Tür. Sein Körper folgte. Er hob einen Fuß, dann den anderen und ging mit ungelenken Schritten auf die Tür des Sekretariats zu.
In diesem Augenblick geriet Bewegung in die starre Menschengruppe.
Der Polizeiarzt stieß einen unartikulierten Schrei aus. Mit schnellen Schritten war er an der Tür, drehte sich um, breitete seine Arme aus und starrte dem Toten ins Gesicht. Über seine Lippen drang wie befehlend ein Wort: » Sprich! «
Der Tote machte einen weiteren Schritt auf ihn zu.
Dr. Abel hob beschwörend beide Hände gegen ihn, und er betonte jedes Wort als müßte er es der Leiche ins Gehirn hämmern. » Hörst du mich? Sprich! Wer ist dein Mörder? «
Ein neuer Schritt.
Die Stimme des Polizeiarztes überschlug sich jetzt. Es war als versuche er eine unendliche Barriere zu überschreien. » Wer ist dein Mörder? Sag es! «
Der tote Mann machte wieder einen Schritt. Er stand jetzt nur noch einen Meter von dem Arzt entfernt. Die beiden Gesichter starrten einander an, das tote und das lebende.
Plötzlich sackte der nackte Mann zusammen. Sein Kopf schlug schwer auf den Boden.
Dr. Abel stierte auf ihn hinunter. Dann ließ er die Arme kraftlos sinken. » Er ist tot! Und er hat uns nicht gesagt, wer sein Mörder ist! «
Die sofortige Obduktion ergab, daß der entflohene Zuchthäusler vor fünf bis sechs Stunden an einem schnell wirkenden Herzgift gestorben war, das ihm durch eine Injektion zwischen Zeigefinger und Mittelfinger der rechten Hand in den Körper gejagt worden war.
●
Auf der Rückfahrt zur Heunenburg nahm Larry Brent Inspektor Horvath in seinem Wagen mit. Sie wollten einen Abstecher zu dem alten Bergwerk machen.
Unterwegs kam X-RAY-3 eine Idee. Er wandte sich an den Inspektor. » Sie könnten mir einen Gefallen tun. «
» Wenn ich dazu in der Lage bin, selbstverständlich. «
» Wäre es Ihnen möglich, Baron Parsini telefonisch zu bitten, daß er sich zusammen mit Yvette heute nachmittag zwischen fünf und sechs bei Ihnen einfindet, weil Sie ihn über verschiedenes im Zusammenhang mit den Hunden befragen wollen? «
» Das geht ohne weiteres. Ich hatte sowieso vorgehabt, den Mann zu vernehmen, ob er nicht irgend etwas Verdächtiges während der letzten Monate im Steinbruch bemerkt hat. Ich will nicht neugierig sein, aber Sie wollen offenbar die Heunenburg mal für sich allein haben. «
» Das stimmt. Aber ohne damit auch nur das mindeste gegen Kurt Parsini oder Yvette gesagt zu haben. Kennen Sie übrigens einen Mann, den man den Einsiedler nennt? «
» Den Janos? Den kennt hier jedes kleine Kind. Ich halte ihn für harmlos. «
Vor dem Steinbruch standen Gruppen erregt diskutierender Menschen, die mit ihren Wagen herausgefahren waren. Zwei Polizisten hinderten sie daran, das Gelände zu betreten.
Auf dem Platz zwischen den steilen Wänden parkten Polizeiwagen. Polizisten bewachten den Eingang zu dem Bergwerk.
Larry Brent sah sich um. Dann nickte er dem Inspektor zu. » Weil wir von Janos sprachen, er liegt dort oben hinter dem Gebüsch und beobachtet uns. «
» Ja, ich sehe ihn. Nun, das ist nicht verboten. Übrigens, da kommt gerade der Tierarzt Dr. Bamberger. «
Ein älterer, kleiner und glattrasierter Mann trat aus dem Eingang des Bergwerkes, setzte seinen Kneifer auf und begann eifrig in seinem Notizbuch zu schreiben. Er blickte auf, als Horvath und Larry Brent zu ihm traten. » Guten Tag, Inspektor! Sie wollen natürlich wissen, was ich festgestellt habe. Viel ist es leider nicht. Es sind an die hundert Tiere, die dort
Weitere Kostenlose Bücher