0891 - Knochenklaue
ich ins Bad schlüpfte. So waren die beiden eben, ich konnte es nicht ändern.
Nach zwanzig Minuten verließ ich den Raum und fühlte mich einigermaßen wohl. Sogar einen Bademantel trug ich, den meine Mutter für mich immer in Reserve hielt.
Ich kleidete mich gelassen an, und als ich in die braune Cordhose schlüpfte, da vermeinte ich, den Geruch von frischem Kaffee wahrzunehmen. Ich drehte mich um.
Mein Vater hatte die Tür geöffnet und lächelte mich an. »Guten Morgen, Herr Sohn.«
»Hallo, Dad.«
»Ist wie früher - oder?«
»Fast.« Ich knöpfte mein Hemd zu.
»Da habe ich zum Frühstück keinen Kaffee bekommen, sondern Milch.«
»Kannst du jetzt auch haben. Milch soll gut gegen einen morgendlichen Kater helfen.«
Ich strich durch mein noch etwas feuchtes Haar. »Habe ich denn einen Kater?«
Er grinste schief. »Na ja, heute morgen wirktest du alles anders als fit.«
»Kann sein. Aber jetzt habe ich Hunger.«
Das Gesicht meines Vaters zerfiel beinahe, so daß ich mich schon erschreckte. »Ha, was ist los?«
»Deine Mutter hat gewirbelt wie ein junges Mädchen.«
»Und wie siehst das aus?«
Er deutete mit dem Daumen auf die Tür. »Komm in die Küche, dann siehst du es.«
»Okay.«
Ich stand wenig später in der Küche und bekam riesengroße Augen. Was da vorbereitet worden war, das war mehr als ein Frühstück, es war tatsächlich ein Brunch. Zu Wurst, Käse und Eiern hatte meine Mutter noch Schinkenfleisch gebraten, eine Soße zubereitet und auch kaltes Roastbeef aufgeschnitten. Es gab Kaffee, Tee, Orangensaft, und selbst Milch hätte ich trinken können.
»Na, mein Junge, gut geschlafen?«
Ich nickte nur, ohne den Blick von dem großen viereckigen Holztisch zu nehmen.
»Dann wirst du Hunger haben, John. Guten Morgen erst mal.«
»Ja, Mutter, guten Morgen. Wer kommt denn noch?« fragte ich.
»Wieso?«
Ich deutete auf den Tisch und hörte meinen alten Herrn glucksend lachen.
»Keiner, das ist alles für uns. Es gibt noch einen Abend, einen anderen Morgen und so weiter. Wir werden es schon schaffen, das ist nur eine Sache der Aufteilung.«
»Ja, irgendwo schon. Aber ich muß auch mal wieder nach London.«
»Kannst du auch. Wenn dann noch etwas übrig ist, packe ich es dir ein. Oder hast du mittlerweile jemanden gefunden, der für dich kocht?«
»Ja, habe ich.«
Plötzlich funkelten ihre Augen. »Wer denn? Kenne ich die Dame?«
»Frag doch nicht so indiskret!« mischte sich mein Vater ein.
»Du hältst dich da raus, Horace. Ich bin Johns Mutter und muß schließlich wissen, wie es ihm geht. Immer das chinesische Zeug zu essen, ist ja auch nichts.«
»Wie kommst du darauf?«
»Shao wird doch auch kochen.«
»Ja, ab und zu.« Ich winkte ab. Es hatte keinen Sinn. Dafür setzte ich mich an den Tisch und wußte, daß ich meiner Mutter noch eine Antwort schuldig war. »Also, die Dame, die für mich kocht, kennst du nicht. Sie ist Köchin in unserer Kantine und…«
Meine Mutter verdrehte die Augen. »Kantine, Junge, wenn ich das schon höre.«
»Was hast du dagegen?«
»Das ist doch nichts für einen erwachsenen Menschen, der dermaßen im Streß steht.«
»Ich esse ja auch nicht immer dort!«
»Wo dann?« Sie ließ nicht locker.
Ich mußte grinsen, als ich ihr besorgtes Gesicht sah. Ich streichelte über ihre Wange. »Mal hier, mal dort.«
»Ja, ja, so etwas kenne ich. Dein Vater hätte mir die gleiche Antwort geben können. Meine Güte, ihr seid ja schon fast wie Zwillinge, John.«
»Tja, so kann es kommen.«
»Aber jetzt greif zu.« Sie wollte mir Kaffee einschenken, das übernahm ich selbst.
Damit fing die Völlerei an. Das Fleisch war wirklich toll. Ich hätte schon nach dem zweiten Stück aufhören können, aber die Blicke meiner Mutter sprachen Bände, und als ich mich zurücklehnte, satt und geschwächt, da wollte sie noch immer, daß ich etwas aß.
»Nein, nein«, jammerte ich, »nichts mehr.«
Mein alter Herr grinste. »Wir könnten ja einen Spaziergang machen, John«, schlug er vor.
»Jetzt?«
»Keinen Bock.«
»Wie redest du denn, Junge?« beschwerte sich meine Mutter.
»Pardon, ich habe keine Lust, bin zu träge. Eigentlich müßte ich in London anrufen und…«
»Ich kann dir das Telefon holen.«
»Nichts da, Horace, am Tisch wird nicht telefoniert. Ich mag diese Dinger sowieso nicht. Dein Vater hat sich von mir eines zu Weihnachten gewünscht und es auch bekommen. Es ist schrecklich, wenn man nicht nein sagen kann.«
»Gut zu wissen, daß du eines hast,
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