0892 - Der Höllenclub
den Höllenclub oder die Bruderschaft der Mystiker gegründet hat. Damals, vor sehr langer Zeit. Es lag einfach in der Luft, so etwas zu tun. Die Kirchen verloren ihre Macht, die Menschheit stand in einem Umbruch. Sie wollte einen Neubeginn, und es gab gewisse Führer, die ihre Philosophien der Aufklärung verbreiteten. Sätze und Regeln, die von zahlreichen Menschen aufgenommen wurden, weil sie es einfach satt hatten, sich unter die Knute von Kirche und Staat zu stellen. Sie wollten anderen Theorien folgen, sie wollten erleben, daß es mehr gab, als nur zu dienen und der Obrigkeit zu gehorchen, wobei diese ihr Wissen für sich behielt.« Aus dem Maul drang ein Kichern, vermischt mit einem gelblich schimmernden Geifer, der an den Mundwinkeln entlang nach unten floß. »Man beschäftigte sich mit anderen Dingen, Gesetzen, die noch nicht aufgeschrieben waren, von denen aber flüsternd gesprochen wurde. Sie lagen in einer nicht sichtbaren Welt, einer Welt hinter den Dingen.« Er bewegte seine freie Hand. »Hast du verstanden?«
»Ein wenig.«
»Es geht weiter. Auch ich gehörte zu diesen Aufrührern. Von Hause aus begütert, ging es mir wie vielen aus dem Adel und dem Großbürgertum. Wir haben das Leben genossen, wir konnten uns alles nehmen und kaufen. Männer und Weiber, wir taten das, was wir für richtig hielten, aber es füllte uns nicht aus. Wir wollten mehr wissen, wir wollten an die dunkle Seite der Welt heran, und so versuchten wir, eigene Wege zu gehen. Wir forschten, und ich hatte mich dazugehörig gefühlt. Ich wollte mir über das Leben Gedanken machen. Ich wollte einfach nicht akzeptieren, daß es mit dem Tod beendet ist. Ich war der Meinung, daß Leben unsterblich ist. Ja, es mußte unsterblich sein.«
»Warum das?«
»Für mich kann Leben unabhängig von der Schöpfung existieren, deshalb ist es auch unsterblich. Nicht so sehr in Bezug auf die Zeit, sondern auf die Essenz, verstehst du?«
»Rede weiter.«
Durand mußte sich erst erholen. Dann sagte er etwas, das Suko verwirrte. »Leben kann auch unabhängig von der Geburt bestehen.«
»Bitte?«
»Ja.«
»Nein!«
Durand lachte. Es klang wie ein trockenes Husten. »Das Leben und ein Geist und kein Körper. Es ist ein eigenes Bewußtsein in dem Körper, in dem es beheimatet ist. Und es braucht nicht in einem menschlichen Körper zu stecken. Es kann sich ebenso einen Baum, eine Mauer, ein Haus und ein Schiff aussuchen. Beide muß man prinzipiell trennen. Der Körper kann ohne das Bewußtsein gut funktionieren.«
»Wie das denn?«
»Man braucht nur an den Schlaf zu denken, an die Ohnmacht und an das Koma.«
»Aber es ist dabei trotzdem vorhanden!« wies Suko die Gestalt zurecht.
Müde winkte sie ab. »Unsinn. Wenn der Körper ohne das Bewußtsein funktioniert, kann dieses Bewußtsein auch ohne Körper auskommen. Es wird dann autark. Es kann von Gegenständen Besitz ergreifen, ohne daß es angetrieben wird. Es kann sich diese Gegenstände aussuchen, und es wird deshalb leblose Objekte zum Leben erwecken können.«
»Auch Tote?« fragte Suko, der allmählich begriffen hatte.
»Nein oder ja. Ich weiß es nicht. Meine Forschungen sind noch nicht so weit gediehen.«
»Dann haben Sie damit experimentiert?«
»Das habe ich.«
»Und deshalb leben Sie?«
»Ja.«
»Was sind Sie? Körper oder Bewußtsein?«
»Einmal das und einmal das andere. Mich interessierte der Körper nicht. Ich bin nicht vergangen, ich lebe schon so lange. Oder soll ich sagen, ich existiere? Du siehst etwas Altes, Verbrauchtes vor dir, da hast du schon recht. Aber das ist nur der äußerliche Eindruck. Andere Dinge sind wichtiger. Ich spreche von dem Bewußtsein, das nicht alt werden kann. Ich bin das Bewußtsein, das sich diesen Körper einmal ausgesucht hat. Es kann ihn verlassen und sich einen anderen wählen. Ein Auto, ein Rad, ein Tier, eine Pflanze oder wieder einen Menschen. Ich kann es auch in die Decke über oder in die Säule neben dir hineindrängen, so daß sich diese Dinge bewegen. Du würdest Leben dazu sagen, und es ist auch ein gewisses Leben, das steht fest. Aber es ist ein Leben, so wie ich es sehe, Freund. Mein Leben, meine Existenz, die Summe meiner Forschungen gewissermaßen.«
»Dann hast du es getan? Du hast damals danach gesucht?«
»Ja, vor langer Zeit. Ich habe mich damit beschäftigt. Ich habe geforscht und ich habe meine Forschungen in zwei Büchern niedergeschrieben und sie denjenigen zugänglich gemacht, die ebenso gedacht haben oder denken
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