0893 - Der Rachegeist
immer außer Rand und Band. Obwohl Suko ihr die Arme nach hinten gebogen hatte, wollte sie das Messer einfach nicht loslassen. Sie schrie, sie kämpfte wild dagegen an, und in ihren Augen las ich den blanken Wahnsinn.
Suko versuchte es mit Worten, während sich Glenda wie eine Schlange bewegte und dabei versuchte, in Richtung Kopfende der Couch zu kriechen. Sie zog dabei die Beine an, stieß sich mit den Füßen immer wieder ab, aber mein Freund hielt sie auf Distanz.
Glenda fauchte und schrie zugleich. Ich sorgte mich um sie. Diese Frau war nicht mehr sie selbst.
Etwas hatte sie verändert, und sie war zu einer anderen geworden. Als ich eingreifen wollte, wehrte mich Suko ab, möglicherweise deshalb, weil ich zu befangen war, was durchaus stimmte, denn ich würde ihr anders gegenübertreten als der Inspektor.
»Laß es los!« brüllte Suko sie an.
»Laß endlich das verdammte Messer los!«
Glenda schüttelte liegend den Kopf. Sie wollte nicht, sie kämpfte weiter, sie saugte lautstark die Luft ein, sie schüttelte sich noch immer, und sie versuchte, ihren Körper in die Höhe zu wuchten, was ihr kaum gelang.
Auch die anderen waren von ihren Stühlen in die Höhe gesprungen. Fasziniert schauten sie zu, was dort passierte und wie Suko versuchte, Glenda unter seine Kontrolle zu bringen.
»John!« hörte ich Janes schrille Stimme. »Du mußt eingreifen, verflucht noch mal!«
Ja, das mußte ich. Glenda war sogar dabei, sich zu verändern. Ihre Haut war rötlich, nein, violett angelaufen. Sie hatte einen schmutzigen Farbton bekommen. Ihr Mund stand offen, er klaffte wie eine große Wunde, aus der stoßweise der Atem drang.
Das Knurren hörte sich beinahe unmenschlich an. Suko stand hinter der Couch. Er hatte ihren Arm weit zurückgebogen und ihr das Gelenk verdreht, was sicherlich schmerzte.
Über Glenda trafen sich unsere Blicke. »Jane hat recht, du bist an der Reihe!«
»Okay.« Ich wußte, was er meinte. Glenda Perkins war seit kurzem besessen. Sie wußte nicht mehr, was sie tat. Ihre eigene Psyche war fortgeschwemmt worden, es gab nicht mehr die Glenda Perkins, wie wir sie kannten, das Fremde hatte sie völlig in den Bann gezogen.
Als sich mein Kreuz an der Kette bewegte, funkelte ein Lichtblitz auf, der auch über ihr Gesicht huschte und die Augen traf. Glenda zwinkerte. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, als hätte gerade dieser Lichtreflex etwas gebracht und sie für einen Moment aus ihrem Zustand hervorgerissen, in den sie allerdings sofort wieder hineinfiel.
Bis ich mit zwei langen Schritten die Couch erreicht hatte und dicht daneben stehenblieb.
Das Kreuz pendelte über ihrem Gesicht. Sie hielt die Augen weit offen, sie mußte es sehen, und ich sah, wie sich ihre Pupillen bewegten, als sie die schwingenden Bewegungen meines Talismans verfolgte.
Half es?
Aktivieren wollte ich es nicht. Es würde ansonsten seine gesamte Kraft entfalten und sie möglicherweise zerstören. Vorsichtig und behutsam mußte ich vorgehen, während das Kreuz langsam ihrem Gesicht entgegensank. Sie hörte meine flüsternde Stimme, mit der ich mehrmals ihren Namen sprach.
»Glenda, bitte!«
Sie schrak zusammen.
Ich wiederholte den Namen.
Das Kreuz sank tiefer. Es schwebte jetzt dicht über ihrem Gesicht, wo es von einer Seite zur anderen baumelte. Der schlimme Ausdruck war aus ihren Augen verschwunden, sie war nicht mehr so stark besessen. Ihr Blick hatte sich geklärt, war er auch klarer geworden? Kam sie wieder zu sich? Ich mußte es einfach darauf ankommen lassen.
Mit einem Ruck sank das Kreuz nach unten, und plötzlich berührte es wie ein Hauch die Stirn der dunkelhaarigen Frau. Es schwebte darüber hinweg, es streichelte sie, und ich sah die Veränderung auf meinem Kreuz, dieses leichte Huschen des Lichts, das eine geringe Aktivierung anzeigte.
Urplötzlich brüllte Glenda auf.
Es war tatsächlich so etwas wie ein Urschrei, der aus ihrem Mund drang, und nicht nur ich erschrak.
Auch Suko und die anderen, aber sie sahen oder spürten nicht das, was ich mitbekam. Etwas zitterte zwischen Glenda und mir, es war ein Hauch, ein Streifen, ein kühler Luftzug, der an meiner Stirn entlangglitt und innerhalb einer kurzen Zeitspanne verschwunden war.
Und Glenda?
Ich sah sie mir genau an.
Ihr Gesicht verlor allmählich den fremden Farbton. Es war plötzlich wieder normal geworden. Blaß noch, aber ich erkannte in ihr die Glenda wieder, wie ich sie mochte.
Ich kniete mich neben die Couch, wo ich es bequemer
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