0894 - Seelenbrand
fahrig und voller Angst.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte Meredith besorgt.
Zuerst wollte die Dienerin abwiegeln, aber dann brach es tränenreich aus ihr hervor: »Peter. Es ist… wegen meines Jungen. Er kam vorhin ins Haus… und brach vor meinen Augen zusammen. Ich habe ihn gleich ins Bett gebracht, er glüht am ganzen Körper. Ich hoffe nur, er ist nicht ernstlich krank. Ich wüsste nicht…«
»Warum haben Sie keinen Arzt verständigt?«, fragte Meredith und eilte zu Helen, um ihr mutmachend die Hand auf den Rücken zu legen.
Etwas huschte aus ihrem Ärmel hervor und verschwand in der Kleidung der Dienerin. Meredith bemerkte es nicht.
»Einen Arzt?« Helen sah schamvoll auf. »Wir können uns doch keinen Arzt leisten. Ich dachte, das Pech hätte uns verlassen. Diese Stelle schien mir wie ein Wink des Himmels. Aber nun geht es genauso weiter, wie all die Monate davor. Wir haben kein Glück, Peter und mir ist kein gutes Leben vergönnt…«
Meredith wandte sich an ihren Mann. »Robert. Was sagst du dazu? Können wir zulassen, dass diese arme Frau sich grämen und Angst haben muss, ob ihr Junge wieder gesund wird?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich werde sofort nach einem Arzt schicken. Doktor Willow ist eine Koryphäe…«
»Und wen? Wen willst du schicken?« Allmählich hatte sie begriffen, dass sich nach ihrem Verschwinden vor einem Jahr vieles - alles! - zum Schlechteren verändert hatte auf dem einst blühenden Anwesen. Keiner der alten Bediensteten war mehr hier, wahrscheinlich hatte die Düsternis und unablässige Trauerstimmung auf dem Gut sie vertrieben.
»Barnabas. Ich werde Barnabas schicken. Er mag dir unheimlich erscheinen, aber auf ihn ist Verlass.«
»Der Schmied?«
»Der Schmied«, bekräftigte Robert Grosvenor und eilte bereits hinaus, um seinen Worten Taten folgen zu lassen.
Meredith legte den Arm um die dralle Helen. »Alles wird gut. Nur keine Sorge. Alles wird gut.«
Fast wäre sie an den Worten erstickt, die ihr nicht nur selbst schal vorkamen, sondern schlichtweg gelogen . Hier konnte und würde nichts gut werden. Hier bahnten sich schreckliche Dinge an - sie spürte es, und es quälte sie, auch wenn sie ihre Vorahnungen nicht in Worte fassen konnte. Noch nicht…
***
Der Arzt kam zwei Stunden später. Meredith saß an Peters Bett im Gesindetrakt, als der unscheinbare, kahlköpfige Mittfünfziger hereinschneite, den Robert hatte rufen lassen. Er trug eine Tascheaus schwarzem Leder bei sich, als er ankam. Geistesabwesend grüßte er Lady Grosvenor, dann wandte er sich auch schon dem Jungen zu, der schweißgebadet, mit kalten Wickeln um die Waden und trübem Blick, im Bett lag. Er hatte hohes Fieber und war nicht ansprechbar.
Helen hatte versucht, Meredith davon abzuhalten, sich neben den Kranken zu setzen - erst recht, bis geklärt war, ob er unter nichts Hochansteckendem litt. Aber Meredith hatte nur lächelnd abgewehrt und für sich gedacht: Wie sollte mich ein Fieber schrecken, ganz gleich, wie infektiös es ist? Ich war tot, ivas sollte mich da noch anfechten?
Natürlich sprach sie solche Gedanken nicht aus.
»Nun, Doktor, was sagen Sie dazu?«, wandte sie sich an Willow, nachdem dieser seine Untersuchung beendete hatte.
»Ich bin ratlos. Es könnte Sumpffieber sein. Aber sicher bin ich mir nicht. Die eindeutigen Symptome fehlen. Bei Kindern seines Alters kann es auch etwas völlig Harmloses sein, und morgen springt er schon wieder über Gräben.«
Meredith wünschte, es wäre so.
»Geben Sie ihm etwas Fiebersenkendes«, verlangte sie. »Und halten Sie sich bereit, falls sich sein Zustand verschlimmert. Wir schicken dann sofort nach Ihnen. Oder wäre es besser, ihn in ein Krankenhaus zu schaffen?«
»Nein, nein.« Willow winkte ab. »Wir machen es wie besprochen. Rufen Sie nach mir, wenn es sich bis morgen nicht gebessert hat. Ich lasse Kräuter für einen fiebersenkenden Tee da, mehr würde ich im Moment nicht tun… Moment mal, was war das? Haben Sie das auch gerade gesehen?«
Meredith wusste nicht, was er meinte.
»Seine Augen… als husche etwas hinter den Pupillen vorbei…«
»Sie müssen sich geirrt haben.«
»Ja…«
Kopfschüttelnd packte er zusammen und händigte Helen einen Stoffbeutel mit Teekraut aus, dazu gab er Instruktionen, wie er aufzubrühen war.
Als er gegangen war, richtete sich Peter plötzlich in seinem Bett auf und brabbelte wie im Delirium: »… versteh ich nicht. Eins versteh ich nicht… nicht…«
Plötzlich erinnerte sich
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