0896 - Das Psychonauten-Kind
ansprach: »Der Hund sieht ja gefährlich aus.«
»Stimmt.«
»Ist er das?«
Der Killer grinste kantig. »Man darf ihn eben nicht reizen.« Er griff zum Glas und nahm einen langen Schluck. Als er es abstellte, lag ein Schaumrand um seine Lippen. »Es schmeckt gut, wirklich, das Bier ist super.«
Die Bedienung lächelte. »Wir bekommen es aus einer kleiner Privatbrauerei.«
»Stark, wirklich.« Huxley schaute sich um. »Mal eine Frage. Ist es hier immer so leer?«
»Nein. Im Sommer nicht.«
»Aber jetzt, wie?«
»Kann man auch nicht sagen. Manchmal schicken sie uns Gäste aus London, wenn dort eine Messe ist und alle Hotels überfüllt sind. Hier übernachten auch Familien, wenn sie London besuchen wollen, denn die Preise hier sind normal.«
»Das stimmt.«
Die Frau hob die Schultern und strich dabei durch ihre grauen Haare. »Wie bieten zwar keinen großen Komfort, aber man kann sich bei uns wohlfühlen.«
»Glaube ich auch.«
»Im Moment bin ich die einzige hier, abgesehen von einer Helferin an der Anmeldung. Sie ist meine Nichte und tagsüber auch zuständig für die Zimmer.«
»Wo sind denn die Besitzer?«
»Auf Lanzarote.«
Huxley lachte. »Klar, die meisten Hoteliers verreisen im Winter, wo am wenigsten zu tun ist. Verständlich.« Er räusperte sich und trank wieder einen Schluck. »Wenn der Junge mit dem Hund zurückkommt, sind Sie uns auch los.«
»Sie fahren morgen wieder?«
»Wir wollen nach London.«
»Urlaub machen?«
»So ähnlich.«
»Und die Mutter des Jungen ist tot, habe ich von Ihrem Sohn gehört?«
Der Killer schaltete blitzschnell. »Ja, sie starb leider. Ich bin mit Gordy und Eden allein, aber wir kommen schon zurecht. Ich versuche immer wieder, Vater und Mutter zu sein. Ob es mir gelingt, kann ich nicht beurteilen.«
»Sie haben viel Mut bewiesen.«
Hubert Huxley verzog die Lippen. »Meinen Sie?«
»Ja, denn ich kenne das aus dem eigenen Bekanntenkreis. Da hat ein Mann das gleiche versucht, ist aber gescheitert.« Sie redete schnell weiter. »Ich will Ihnen den Mut nicht nehmen, sondern wollte damit nur andeuten, daß es nicht so einfach ist.«
»Da haben Sie recht.«
Die Frau schaute auf ihre Uhr. »Sie möchten also nichts mehr trinken, oder?«
»Nein.«
»Gut, dann mache ich die Küche dicht und drehe auch…« Das nächste Wort brachte sie nicht mehr hervor. Plötzlich stand sie stocksteif auf dem Fleck. Ihr Gesicht versteinerte, der Ausdruck in ihren Augen kam dem Killer bekannt vor, er wollte handeln, aber es war schon zu spät.
Drei Männer huschten von der Tür her wie Schatten in den Gastraum, und drei mit Schalldämpfern bestückte Waffenläufe richteten sich auf den am Tisch sitzenden Killer…
***
Julio Gomez war ein Mensch, der einfach nicht seßhaft werden konnte. Er gehörte zu den Leuten, die immer auf der Wanderung waren, und es kümmerte ihn auch nicht, in welchem Land er sich befand. Für ihn gab es keine Grenzen, er war Europäer, wenn man ihn fragte, woher er kam. Er hatte sich schon im letzten Jahr vorgenommen, die britischen Inseln auf seine Weise zu erkundigen. Als blinder Passagier war er im letzten Herbst in Dover an Land gegangen und hatte sich durch den Südosten der Insel geschlagen, wobei er in London erst im Frühjahr »einfallen« würde. Julio hatte sich immer als einen Glückspilz bezeichnet. Er war stets Optimist geblieben, und dieser Optimismus hatte auch seinen Grund gehabt.
Julio kam bei vielen Menschen gut an. Er war lustig, er war freundlich, hin und wieder half er bei einer Arbeit, so kam er auch mit dem Geld aus. Wenn die Nächte zu kalt wurden, fand er trotz allem immer wieder einen Schlafplatz.
So auch in dieser Nacht.
Er kannte eine Frau in seinem Alter, die als Kellnerin in einem Hotel arbeitete. Die Besitzer waren verreist, und die Frau hielt für ihn immer ein kleines Zimmer frei. Wenn er wollte, konnte er den Bau auch durch den Hintereingang betreten, denn diese Tür war nicht abgeschlossen.
Julio Gomez hatte eigentlich nicht vorgehabt, so spät zu kommen, aber er war aufgehalten worden, denn zwei Bekannte, von denen einer Geburtstag hatte, brauchten noch einen dritten Mann, um feiern zu können. Sie hatten in einem alten Keller gehockt, zwei Flaschen geleert, wobei Julio am wenigsten getrunken hatte. Er war jetzt in einem Alter, wo er vorsichtig sein mußte, außerdem hatte er noch einen weiten Weg vor sich, und so traf er erst kurz vor Mitternacht bei seinem Ziel ein.
Wie immer näherte er sich dem kleinen
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