0897 - Monster-Maar
falsch er damit lag.
»Es… es ist erneut etwas passiert, hochwürdiger Vater«, stotterte der Sekretär. Klein hielt einen Textmarker in den Händen, den er nervös durch seine Finger gleiten ließ, wieder und wieder.
Bauerschwan stockte der Atem. »Ja, reden Sie, Mann«, brachte er schließlich heraus. »Was ist denn?«
Klein schluckte hörbar. »Im Radio berichteten die Regionalnachrichten gerade von einer Explosion in der Mendiger Innenstadt. Es heißt, dass ein Einsatzwagen der Polizei aus Mayen dabei zerstört wurde, und dass sein Fahrer, ein renommierter Hauptkommissar, ums Leben kam. Darüber hinaus entstand immenser Sachschaden.«
Germut wusste, worauf Klein hinauswollte. Er wusste, warum der Sekretär zögerte und nicht weiter sprach: aus Feigheit. Er, der Abt selbst, sollte die entscheidende Frage stellen - und es kostete Bauerschwan allen Mut und allen Glauben, den er aufbringen konnte, diesen einen Satz auszusprechen: »Und was hat das mit uns zu tun?«
Klein blickte zu Boden, unfähig dem Vorgesetzten in die Augen zu schauen. »Die Polizei geht von einem Anschlag aus, hochwürdiger Vater. Von… von einer Autobombe.«
Mehr brauchte Klein nicht zu sagen. Sie beide wussten, was die Stunde geschlagen hatte; Bauerschwan noch mehr als jeder andere. Erst Bruder Richard, jetzt das…? Undenkbar! Und dennoch musste der Abt reagieren. Nun mehr denn je.
Sein Hals war trocken und seine Stimme brüchig. Leise gab er die eine Anweisung, von der so viel abhing, so viel mehr, als sich Thomas Klein vorstellen konnte. »Thomas, bitte besorgen Sie mir doch eine Liste all unserer Brüder. Prüfen Sie, ob irgendjemand unter ihnen heute Morgen die Klosteranlagen verlassen hat. Ich will über jeden Aufenthaltsort eines jeden Mitglieds unseres Ordens an diesem Vormittag informiert werden, hören Sie? Jeden einzelnen.«
Der Sekretär nickte knapp und machte sich umgehend an die Arbeit. Bauerschwan betrat sein Büro, schloss die Eichentür hinter sich, und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Für einen Augenblick drohten seine Knie nachzugeben. Er legte den Kopf gegen die kühle Oberfläche des Holzes und atmete mehrere Male tief durch, ganz langsam.
Er brauchte Gottvertrauen, jetzt mehr denn je zuvor.
Er musste glauben. Glauben , dass es nicht so war, wie es schien. Dass seine Brüder nicht zu willenlosen, unkontrollierten Attentätern wurden; nicht wegen dem, was sie in der Nacht taten. Er brauchte Gott vertrauen.
Bauerschwan schloss die Augen und horchte in sich, wie er es immer tat, wenn ihm die Last des Tages zu viel wurde und er nach Halt suchte. Seit Jahrzehnten half ihm sein Glauben auf diese Weise über die tiefsten Täler. Der Abt horchte, und er fand…
... nichts.
***
Der Raum verströmte den Charme einer Jugendherberge. Zwischen der mit diversen Plakaten für wohltätige christliche Organisationen behangenen, unverputzten Wand zu Zamorras Linken und der breiten Fensterfront rechts von ihm erstreckten sich mehrere lange Reihen einfacher Holztische mit weiß lackierten Platten. Auf manchen der Tische standen kleine gläserne Vasen mit ein oder zwei kümmerlichen Blümchen darin - ein eher bescheidener Versuch, den trostlosen Anblick, den dieser Speisesaal bot, durch ein wenig Farbe aufzuhellen. Von irgendwoher ertönte Topfgeklapper. Der Duft von frisch zubereiteten Speisen drang in Zamorras Nase und erinnerte ihn daran, dass er und Nicole heute noch gar kein Frühstück gehabt hatten.
Wenn es hier so schmeckt wie der Saal aussieht, dann braucht sich das auch nicht allzu bald zu ändern , dachte der Professor ironisch. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Unterhaltung, der er gerade beiwohnte.
Der Meister des Übersinnlichen saß an einem der schlichten Tische. Außer ihm waren noch Nicole und Astrid Lessbrück anwesend. Und ein junger Mönch, auf den die Polizistin seit einigen Minuten mit einer Engelsgeduld einredete. Zamorra betrachtete den Geistlichen ein weiteres Mal. Sie waren sich bereits begegnet: Astrids Bruder war niemand anderes als ihr Bruder Holger, der Mönch, der Nicole und ihn gestern durch das Kloster geführt hatte. Nur mühsam konnte sich Zamorra ein Schmunzeln verkneifen. Wenn die Welt wirklich ein Dorf ist, dachte er, dann ist die Eifel ein Einfamilienhaus. Ständig läuft man hier denselben Leuten über den Weg.
Und einer der Hausbewohner erwies sich gerade alles andere als zugänglich.
»Hör mal, Astrid, so sehr mich dein Besuch auch freut und es mir leid tut, was mit
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