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0897 - Monster-Maar

0897 - Monster-Maar

Titel: 0897 - Monster-Maar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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stammelte Bruder Richard. Fassungslos sah er seinen Ordensvorsteher an, dann hob er die Hände - diese schmächtigen, gebrechlichen Hände - und ballte sie zu Fäusten, als wolle er mit dieser Geste die Unmöglichkeit des Vorwurfs entkräften. Er, ein Schläger?
    Bauerschwan verstand ihn. Immerhin konnte sich der Abt selbst auch keinen Reim auf das Geschehene machen. Zumindest versuchte er seit zwei Stunden, sich genau das einzureden.
    Denn die Alternative war noch undenkbarer.
    ***
    Nachdem Richard gegangen war, saß Germut Bauerschwan noch eine ganze Weile an seinem Schreibtisch und starrte ins Leere. Sein Geist arbeitete auf Hochtouren, doch all die Theorien und möglichen Antworten, die der Abt in Gedanken fand, führten zu Erkenntnissen, die zu akzeptieren er sich vehement weigerte. Es musste noch eine Alternative geben! Es durfte einfach nicht anders sein.
    Sie standen so kurz vor dem Durchbruch, so kurz vor der Erfüllung ihres Planes und dem Ziel jahrelangen Arbeitens. Die entscheidende Phase hatte vor wenigen Tagen begonnen. Jetzt war jede Abweichung von der Norm, und sei sie auch noch so klein und unbedeutend, ein unerhört großes Risiko. Jede Änderung, jede Einschränkung konnte das Ende bedeuten, für das Projekt ebenso wie für ihrer aller Leben.
    Es gab kein Zurück mehr.
    Und nichts konnte sie noch aufhalten. Nichts durfte es!
    Germut Bauerschwan, ein Mann von untersetzter, runder Gestalt und mit einem grauen Haarkranz gesegnet, war immer ein besonnen handelnder Mensch gewesen, ausgeglichen und zufrieden. Trotz seiner sechzig Lebensjahre, von denen er nun vierzig im Dienste der katholischen Kirche und meist hinter Klostermauern verbracht hatte, sah er sich als modernen und weltoffenen Bürger, der mit beiden Beinen fest im Leben stand. Bauerschwan war viel intelligenter, als es sein schlichtes Erscheinungsbild nahe legte - ein »optischer Bonus«, den der Abt bei Verhandlungen und Treffen geschäftlicher Natur gerne und geschickt ausnutzte. Er wusste, wo der Hase lang lief, und er verstand es, Vorteile zu nutzen und Chancen zu erkennen.
    Und die vor ihm liegende Chance war größer als alles, was ihm und dem Rest seines kleinen Kreises aus ausgewählten Klosterbrüdern je zuvor begegnet war. Größer als seine Vorstellungskraft. Allein der Gedanke an das, was sie zu erreichen hofften, ließ Bauerschwan vor Aufregung zittern! So nah dran. Sie mussten durchhalten, keine Scheu zeigen und keine Angriffsfläche bieten. Was immer da am Nürburgring geschehen sein mochte, es musste warten. Es durfte einfach nicht in Zusammenhang mit ihrem Vorhaben stehen. Denn wenn doch, so gestand sich der Abt insgeheim ein, wäre er ratlos.
    Und vermutlich vollkommen hilflos.
    Bauerschwan seufzte. Es brachte nichts, sich über derartige Dinge den Kopf zu zerbrechen. Was jetzt zählte, war die Konzentration auf das Ziel. Ablenkungen schwächten nur. Und Bruder Richard war eine Ablenkung. Nichts weiter als ein Problem, mit dem er sich befassen würde, wenn es soweit war. Wenn er soweit war.
    In all den vierzig Jahren im Dienst der Kirche hatte Germut Bauerschwan niemals an seinem Glauben gezweifelt - mehr noch: Er hatte die Überzeugung, die seinem christlichen Gottvertrauen innewohnte, auch auf andere Bereiche seines Lebens übertragen können.
    All dies sollte sich nun ändern.
    ***
    Als Bauerschwan von der Toilette kam, wusste er sofort, dass Klein wieder an der Tür gelauscht hatte. Fünf Jahre war der junge Sekretär nun schon in seinen Diensten, und so langsam konnte Bauerschwan seine Körpersprache lesen, wie andere ein Buch. Im Moment stand Klein neben seinem Schreibtisch im Vorzimmer des Büros und sah dem sich nähernden Abt mit diesem unterwürfigen Dackelblick entgegen, den Bauerschwan zu hassen gelernt hatte.
    Thomas, ich hätte gar nicht gedacht, dass eine Unterredung zwischen Bruder Richard und mir für dich von Interesse wäre , dachte Bauerschwan amüsiert. Eigentlich hätte er zornig sein müssen, doch war in dem Gespräch, das er mit dem alten Mönchsbruder geführt hatte, nichts gefallen, was für fremde Ohren tabu gewesen wäre.
    »Thomas«, sagte er auffordernd, nachdem er den Tisch des Sekretärs erreicht hatte. »Was gibt es?«
    Instinktiv rechnete er mit einem Geständnis. Irgendeine langwierige Entschuldigung dafür, dass Klein entgegen vorheriger Versprechungen wieder mal das Ohr am Schlüsselloch gehabt hatte. Doch als der jüngere Mann zu sprechen begann, erkannte Bauerschwan, wie fürchterlich

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