0897 - Monster-Maar
die weiß gestrichenen Flure in Richtung Hauptausgang schritten, konnte Zamorra den fragenden Blick Astrid Lessbrücks in seinem Nacken spüren. Dennoch schwieg er und erklärte sich ihr nicht. Es gab auch wenig zu sagen. Dass Bruder Holger ihnen die Wahrheit gesagt hatte, stand für den Professor außer Frage. Sollten hinter diesen Mauern Sachen geschehen, die nicht dem eigentlichen Ziel des Franziskanerordens entsprachen, so war Holger Lessbrück darüber nicht informiert. Es wäre sinnlos, ihn noch weiter auszufragen.
Nein, Zamorra wollte sich auf andere Dinge verlassen. Auf Dinge, die ihn schon in den ausweglosesten Situationen weitergeführt hatten: sein Bauchgefühl und Merlins Stern.
Seit der nächtlichen Regung in Mendig hatte sich das Amulett, welches Zamorra stets am Hals trug, ruhig verhalten. Und dennoch war der Meister des Übersinnlichen überzeugt, dass es nicht mehr lange so bleiben würde. Wie man die Vorboten eines nahenden Gewitters in der Luft wahrnehmen konnte, so spürte der Franzose die drohende Gefahr. In diesem Kloster war etwas im Busch, und er würde ihm auf den Grund gehen. Komme, was da wolle.
Ich habe Zeit , dachte er. Entscheidend ist, dass Nici und ich hier sind, und bereit zum Einsatz. Der Rest wird sich finden. Und noch , fügte er lächelnd hinzu, habe ich hier zumindest keine Supermenschen gesehen, die aus irgendwelchen Höhlen steigen.
Sie hatten den Ausgang fast erreicht, der sie direkt auf den Parkplatz des Hauses führte, als Zamorra eine Gruppe ins Auge fiel. Fünf Mönche zogen schweigend an ihnen vorüber und würdigten die Besucher keines Blickes. Einzig Holger nickten sie kurz zu, wie es innerhalb des Ordens wohl zum guten Ton gehörte. Zamorra wusste nicht, warum, aber eine innere Stimme trieb ihn dazu, den Kuttenträgern nachzublicken. Dann sah er es!
Besser gesagt: ihn. Mitten unter den Fünfen befand sich niemand Geringeres als der Mönch, der ihn gestern angefallen hatte!
Der Alte bemerkte ihn nicht. Oder er erinnert sich nicht an mich?, dachte der Professor. Sein gestriges Verhalten schien ja bereits anzudeuten, dass es mit seinem Gedächtnis nicht zum Besten steht. Oder beschränkt sich dieser Zustand allein auf den Angriff?
Als die Mönche außer Hörweite waren, wandte sich Zamorra Bruder Holger zu. »Verzeihen Sie, Herr Lessbrück?«
Der junge Mönch blieb stehen und sah ihn fragend an. »Was gibt es denn noch?«
»Dieser ältere Herr dort hinten«, sagte der Professor und zeigte mit dem Arm auf den Alten, der einige Meter hinter ihnen den Flur entlang schritt. »Ob Sie mir wohl seinen Namen nennen könnten?«
»Bruder Richard?«, fragte Holger verwundert. »Der leitet unsere Klosterbibliothek. Was ist mit ihm?«
Zamorra lächelte. Und schon geht's weiter , dachte er triumphierend. »Wenn das so ist, würde ich Sie gerne um einen weiteren Gefallen bitten. Könnten Sie uns diese Bibliothek einmal zeigen? Ich wüsste gerne, welche Art von Literatur man dort genießt.«
Lessbrück schüttelte energisch den Kopf. »Das ist ausgeschlossen, Monsieur, leider. Zwar ist die Bibliothek heute nicht geöffnet, aber ohnehin nicht für Besucher zugänglich - an keinen Tagen. Ihre umfangreichen Bestände sind nur für Mitglieder des Klerus bestimmt.« Mit Stolz in der Stimme fügte er hinzu: »Selbst der Vatikan in Rom greift mitunter auf hier lagernde Bücher zurück!«
Zamorra verstand. Holger stand hinter seinem Entschluss, ihn nicht in diese heiligen Hallen zu führen. Doch schon seine nächsten Sätze änderten die Ansichten des jungen Klosterbruders grundlegend.
»Das ist schade«, sagte der Professor beiläufig. »Denn, wissen Sie, Ihr Bruder Richard… Nun, ich bin ihm schon einmal begegnet. Gestern auf dem Nürburgring.«
***
Ihre Stimme war so beißend, wie ihr Blick schneidend war.
»Ich warne Sie, Monsieur. Wenn das ein Schwindel war, um meinen Bruder davon abzuhalten, uns alle vor die Tür zu setzen, dann mache ich da weiter, wo er aufgehört hat!«
Astrid flüsterte, doch Zamorra verstand sie genau. Er wusste, wie ernst es ihr mit dieser Aussage war. Nicht genug, dass er die junge Polizistin in diese Sache hineingezogen hatte, jetzt reizte er ihr Vertrauen auch noch bis zum Gehtnichtmehr aus.
»Glauben Sie mir, Astrid«, gab er mit wissendem Blick zurück. »Jedes Wort ist wahr, Bruder Richard ist der Mann, der mich gestern angegriffen hat.«
Astrids Gesicht sprach Bände. Zamorra sah förmlich, wie sie die fünf Mönche aus dem Gang noch
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