0898 - Praxis des Teufels
Mächten haben kann. Sie hat davon in alten Schriften gelesen, es aber nie gesehen. - Dann haben Sie die Wahrheit gesagt.«
Zamorra war verwundert. Es war ja nicht so, als ob in diesem Unversum nicht alles etwas miteinander zu tun hatte, aber dass diese alte Geisterbeschwörerin, wie Debbie sie genannt hatte, Merlins Stern kannte - so etwas war ihm selten passiert. Er hatte große Lust, sich einmal länger mit Mrs. Song zu unterhalten, doch in diesem Moment hatte seine Assistentin wieder das Wort ergriffen. Nun ja, vielleicht war es besser, wenn man das noch verschob. Er und Nicole konnten ja vielleicht noch ein oder zwei Tage länger in Hongkong bleiben - und vielleicht ließ sich Mrs. Song dann ein paar Geheimnisse entlocken.
»Ja«, meinte Nicole beruhigend. »Sie sollten sich in diesem Kampf zurückhalten, Miss Chen. Gehen Sie ein paar Tage nicht zur Arbeit. Wir werden versuchen, herauszufinden, was es mit Dr. Morcomb und diesem fellbedeckten Teufelswesen auf sich hat.«
Debbie nickte zögernd. »Ich möchte nicht, dass mir etwas passiert - nicht, wie Sie vielleicht glauben, weil ich Angst hätte, aber meine Großmutter hat mir noch nicht alles beigebracht, was es zu lernen gibt. Ich muss noch eine Weile auf sie achtgeben. Aber ich muss zurück zu meiner Arbeit. Meine Großmutter hat verschiedene Möglichkeiten, mich zu schützen.«
»Ich halte das für zu gefährlich, Miss Chen.«
Doch Debbie schüttelte entschlossen den Kopf. »Das ist mein letztes Wort. Ich werde Miss Sorensen vielleicht nicht mehr helfen können, aber vielleicht kann ich es noch bei anderen Patientinnen erreichen.«
Zamorra nickte zögernd. »Ich verstehe. Trotzdem - ich halte das für zu gefährlich.«
Die alte Dame sagte wieder etwas, doch diesmal klang das bei weitem nicht so freundlich wie die vorherigen Male.
»Nun, meine Großmutter meint, ich soll Ihnen sagen, Ihre westlichen Zauberkräfte seien trotz dieser Silberscheibe den ihren nicht unbedingt überlegen. Sie sollten darauf vertrauen, dass sie und ihre Ahnen, die ihr das Wissen vermittelt haben, mindestens genauso am Schicksal der Welt arbeiten wie Sie.«
Zamorra fuhr kurz zurück. »Sie kennen also auch den Wächter der Schicksalswaage!«, entfuhr es ihm.
Debbie übersetzte und die alte Frau lachte meckernd.
»Sie meint, Sie sollen Ihre Arbeit tun«, sagte sie dann. »Sie macht die ihre und ich kann ihr dabei helfen.«
Zamorra warf Nicole einen Blick zu, die ihm einen süffisanten zurückschickte und sich die hippe Sonnenbrille aufsetzte, die in ihrem heute kupferroten Haar steckte. Der Meister des Übersinnlichen wandte sich wieder an Debbie. »Wie Sie meinen. Wie dem auch immer sei, ich freue mich, dass Sie mir vertraut haben, Miss Chen. Bitte teilen Sie mir aber umgehend mit, wenn sich etwas Neues in Ihrer Klinik tut, versprechen Sie mir das? Sie müssen auf sich aufpassen. Die Klinik ist kein so sicherer Ort wie dieser hier.« Er machte eine umfassende Geste mit der linken Hand über den Tempelhof.
Debbie nickte.
»Wir sind sehr froh, dass dieser Tempel in unserer Nachbarschaft ist. Großmutter meint, das schützt mich.« Sie reichte erst Zamorra, dann Nicole die Hand. »Ich hoffe, wir sehen uns wieder, Professor«, meinte sie und ging, ihre Großmutter am Arm, in Richtung des großen Eingangstores.
Nicole und Zamorra sahen ihr nachdenklich hinterher.
»Was hältst du von dieser Geschichte, Nici?«
»Was hältst du von Debbies Dämonenbeschreibung?«, fragte sie prompt zurück. »Wenn das mal nicht unser alter Freund Lucifuge Rofocale war, den Miss Chen da beschrieben hat.«
Zamorra nickte nachdenklich und ging zu einem der kleinen Verkaufsstände, die Räucherwerk anboten, das man vor den Heiligenstatuen entzünden konnte. Er warf einen Geldschein in die Sammelbox und entzündete die Räucherstäbchen vor der Statue einer weiblichen Heiligen. Sie sah freundlich aus und war in wehende und wallende rote und blaue Gewänder gekleidet. Um ihren Kopf mit der sorgfältig geflochtenen Haartracht war ein Heiligenschein gezeichnet.
Überrascht sah Nicole ihm zu. »Warum tust du das? Und wer ist die Dame?«
Zamorra verneigte sich kurz. »Das ist Kuan Yin. Sie ist zuständig für Barmherzigkeit und das Glück der Menschen. Ich weiß nicht genau, Nici, es schien mir wichtig, sie auf unserer Seite zu haben, wenn wir es mit Lucifuge Rofocale zu tun bekommen.«
***
Als Naomi Sutton das nächste Mal aufwachte, hatte sie das Gefühl, wacher zu sein als zuvor. Sie hatte
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