0898 - Todesruf der Alten Göttin
sich in sein Gehirn, sie füllten es aus. Suko spürte das Fremde und Böse, das ihn nicht mehr aus den Klauen ließ und ihn selbst bewegungslos machte.
›Wir haben sie.‹
»Wen?« fragte Suko, obwohl er genau Bescheid wußte.
›Deine Freundin.‹
»Und warum habt ihr sie?«
›Sie will ihn retten.‹
»Shao?«
›Ja, sie ist ausersehen worden. Sie ist die Vertraute des Jungen. Sie soll ihm die Kraft geben, die Feinde zu besiegen, aber sie wird es nicht schaffen.‹
Suko schwieg. Es war verrückt. Er kam sich in seinem Wagen vor wie ein Gefangener. Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war. Für ihn gab es keine Außenwelt mehr, nur den Druck der beiden feinstofflichen Leiber. Wären sie normal gewesen, hätte er sich wehren können, so aber sah er kein Ziel, das er treffen konnte. Die anderen waren ihm immer überlegen, da ihnen keine natürlichen Grenzen gesetzt waren.
Daß sich das Telefon akustisch und auch optisch, durch Aufleuchten einer Signallampe meldete, bekam er zwar mit, doch er reagierte darauf nicht. Es war für ihn zu schwer, den Arm auszustrecken und nach dem Hörer zu greifen, die Kraft der Geistkörper hatte ihn außer Gefecht gesetzt. Und plötzlich mußte er auch an die Besatzung des Hubschraubers denken. Auch diese Männer waren von den Körpern kontrolliert worden und nicht mehr Herr ihrer Sinne gewesen. Sie hatten den Hubschrauber auf alles gelenkt, was die anderen wollten.
Er saß hier in einem Auto. Es konnte ein Segen sein, aber es konnte auch zu einem Fluch werden.
Suko stöhnte leise auf. Das Telefon war verstummt. Die Stille umgab ihn wie Packeis.
›Wir werden nicht zulassen, daß sie ihn rettet: Wir werden alles tun, um ihn zu bekommen. Wir brauchen sein Wissen heute ebenso wie vor sehr langer Zeit. Nichts hat sich verändert, gar nichts. Der Junge ist ein Versuch gewesen. Die Göttin hat ihn geschaffen, um durch ihn ihre Botschaft verbreiten zu können. Wir aber hassen die Göttin, denn wir wollen ebenso sein wie sie. Wir hassen alles, was mit ihr in Kontakt kommt - und damit auch mit dem Jungen. Er hat uns gehört, du aber hast ihn uns weggenommen. Dafür wirst du büßen…‹
»Nichts habe ich euch weggenommen, nichts«, flüsterte Suko. »Er wollte nicht mehr, versteht ihr? Er hat nicht mehr gewollt. Ihr seid ihm gleichgültig gewesen, das müßt ihr doch begreifen, verdammt noch mal! Gordy wollte sein eigenes Leben führen und in Ruhe gelassen werden.«
›Nein, er war nicht in der Lage, ein Leben zu führen. Er ist nur ein Versuch, der Tausende von Jahren überlebt hat. Er sieht aus wie ein Mensch, aber er ist kein direkter Mensch. Er ist einfach anders, er ist lebendiges Wissen. In ihm ist die Kraft der Göttin gespeichert, und er wird sich bald daran erinnern können, wozu er fähig ist. Dann aber soll er keinem Menschen gehören, das haben wir uns geschworen. Dann wird unsere Stunde kommen. Zuvor müssen wir alle Hindernisse aus dem Weg räumen, denn das haben wir uns bei der Wiedergeburt geschworen.‹
»Wo ist Shao?« Suko interessierte nicht mehr der Junge. Er fürchtete um seine Partnerin.
›Sie will ihn retten.‹
»Wie kann sie das?«
›Sie hofft es, aber sie wird es nicht schaffen. Wir werden ihr einen Strich durch die Rechnung machen. Und auch dir…‹
Suko wußte zunächst nicht, was damit gemeint war, doch wenig später bewiesen ihm die beiden feinstofflichen Körper, über welche Macht sie verfügten.
Sein linker Arm bewegte sich vor. Er hatte es nicht gewollt, es war einfach geschehen. Suko versuchte, sich dagegen anzustemmen. Das schaffte er nicht, denn etwas hatte sich in seinem Kopf festgesetzt und den eigenen Willen zurückgedrängt. Die Starks hatten die Kontrolle über ihn erlangt.
Sie sorgten dafür, daß er das tat, was sie wollten, und mit den Fingern umfaßte Suko den Zündschlüssel.
Er drehte ihn herum.
Der Motor sprang an.
Auch das hatte Suko nicht gewollt. Zumindest nicht sofort. Er wäre gern aus Eigeninitiative losgefahren. In diesem Fall konnte er das nicht behaupten.
Man drängte ihn dazu. Das andere in seinem Kopf war stärker, viel stärker. Es hatte Sukos Geist übernommen, der falsche Antrieb drückte ihn nach vorn, er tat alles automatisch, er lenkte seinen Rover über die Bahn, die die beiden Parkreihen teilte.
Er fuhr.
Oder fuhr er nicht?
Zumindest nicht bewußt, denn Suko ließ sich einfach lenken. Der Inspektor erreichte das Ende des Parkplatzes, wo er sich entscheiden mußte. Entweder nach rechts oder
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