09 - Befehl von oben
Was zum Teufel war denn das?
»Na kommen Sie, das hat Jack doch gar nicht gesagt« brachte van
Damm gegenüber der New York Times zum Ausdruck.
»Das hat er aber gemeint, Arnie«, erwiderte der Reporter. »Sie wissen
das. Ich weiß das.«
»Ich wünschte, Sie würden nicht so hart mit ihm umspringen. Er ist
doch kein Politiker«, machte der Stabschef deutlich.
»Dafür kann ich nichts, Arnie. Er ist in dem Job. Da muß er die
Spielregeln befolgen.«
Arnold van Damm nickte zustimmend, den Zorn verbergend, der sich
bei der beifälligen Bemerkung des Korrespondenten unverzüglich geregt
hatte. Im Inneren wußte er natürlich, daß der Reporter recht hatte. So lief das Spiel eben ab. Aber gleichzeitig wußte er, daß der Reporter
unrecht hatte. Vielleicht war er Präsident Ryan mittlerweile zu sehr zugetan,
hatte sich tatsächlich einige von seinen verrückten Ideen angeeignet. Die
Medien waren ausschließlich beherrscht von den Angestellten privater
Unternehmen - die meisten von ihnen Aktiengesellschaften mit öffentlich
gehandelten Wertpapieren - und hatten so an Macht gewonnen, daß sie
entschieden, was jemand sagte. Noch schlimmer aber war, daß sie ihren Job
zu sehr genossen. Sie setzten die Spielregeln fest, und wer sie brach, wurde
selbst gebrochen.
Ryan war naiv. Das ließ sich nicht leugnen. Zu seiner Verteidigung: Er
hatte nie seinen gegenwärtigen Posten angestrebt. Durch Zufall hatte er ihn
bekommen. Er war nicht in sein Amt gewählt worden. Aber auch die
Medien nicht, und zumindest hatte Ryan die Verfassung, die seine Pflichten
bestimmte. Und die Medien ergriffen Partei in einer
Verfassungsangelegenheit, und sie ergriffen Partei für die falsche Seite. »Wer macht die Regeln?« fragte Arnie.
»Die bestehen bereits«, antwortete die Times.
»Nun, der Präsident hat nicht die Absicht, Roe anzugreifen. Er hat auch
nie gesagt, daß er das wolle. Und er hat auch nicht vor, irgendwelche
Richter von der Parkbank zu pflücken. Er hat nicht die Absicht, extreme
Liberale auszuwählen, und er hat nicht die Absicht, extreme Konservative
auszuwählen, und ich bin überzeugt, Sie wissen das.«
»Dann hat Ryan sich also falsch ausgedrückt?« Das beiläufige Grinsen
des Reporters sagte alles. Er würde das als Nachgespräch mit einem hohen
Regierungsbeamten bezeichnen, der sich »>klärend<, das heißt
korrigierend, zu dem äußerte, was der Präsident sagte«, wie es im Artikel
heißen würde.
»Ganz und gar nicht. Sie haben ihn mißverstanden.«
»Es klang mir ziemlich klar, Arnie.«
»Das liegt daran, daß Sie es gewohnt sind, Berufspolitikern zuzuhören.
Der Präsident, den wir jetzt haben, sagt die Dinge, wie sie sind. Im Grunde
mag ich das sogar irgendwie«, fuhr van Damm fort, was eine Lüge war; in
Wirklichkeit machte es ihn verrückt. »Und es könnte Ihnen die Arbeit sogar
leichter machen. Sie brauchen nicht mehr aus dem Kaffeesatz zu lesen. Sie brauchen bloß richtig mitzuschreiben. Oder vielleicht behandeln Sie ihn einfach nach fairen Spielregeln. Wir sind uns darüber einig, daß er kein Politiker ist, aber Sie behandeln ihn, als wäre er einer. Hören Sie doch
einfach auf das, was er wirklich sagt!«
Oder schauen Sie sich einfach das Videoband an, fügte er nicht hinzu. Er hatte sich jetzt auf glattes Parkett begeben. Mit den Medien zu
sprechen war, wie eine neue Katze zu streicheln. Man wußte nie, wann sie
einen plötzlich kratzen würde.
»Kommen Sie, Arnie. Sie sind der loyalste Mensch in dieser Stadt.
Verdammt, Sie würden einen großartigen Hausarzt abgeben. Wir alle
wissen das. Ryan aber hat keine Ahnung. Die Rede in der Kathedrale, diese
bekloppte Ansprache aus dem Oval Office. Er hat soviel von einem
Präsidenten wie der Vorsitzende der Rotarier in Bumfuck lowa.« »Und wer entscheidet, was ein Präsident an sich haben soll und was
nicht?«
»In New York tue ich das.« Der Reporter grinste erneut. »Bezüglich
Chicago müssen Sie jemand anderen fragen.«
»Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten.«
»Da sagt aber Ed Kealty etwas anderes, und zumindest agiert Ed wie ein
Präsident.«
»Ed ist aus dem Spiel. Er ist zurückgetreten. Roger ist diesbezüglich von
Secretary Hanson angerufert worden und hat mir davon erzählt. Verdammt noch mal, Sie haben doch selber darüber berichtet.« »Aber was für ein Motiv könnte er denn haben für ...«
»Was für ein Motiv könnte er denn, haben, jeden Rock durchzuziehen,
der ihm in die Quere kommt?« echauffierte sich der Stabschef. Großartig, dachte er,
Weitere Kostenlose Bücher