09 - Befehl von oben
Flügen aus Amerika in Quarantäne kamen - wie lange, stand noch nicht fest. Dringende Anrufe zur amerikanischen Federal Aviation Administration erreichten, daß Flüge nach Amerika noch landen durften, um frisch aufgetankt zu ihren Ursprungsorten zurückzufliegen. Diese Flieger wurden als unkontaminiert klassifiziert, ihre Passagiere durften nach Hause.
Daß die Finanzmärkte schließen mußten, wurde durch die EbolaErkrankung eines Warentermin-Händlers des Chicago Board of Trade klar, und die Nachricht machte schnell die Runde. Die Geschäfts- und Finanzgemeinden überlegten besorgt, welche Auswirkungen dies auf ihre Tätigkeiten haben würde. Meistens aber sahen die Leute fern. Die Sendernetze trieben ihre medizinischen Experten auf und gaben ihm oder ihr jeweils freie Hand zur Verdeutlichung des Problems, meistens zu detailliert. Kabelprogramme brachten Wissenschaftsfeatures zu EbolaAusbrüchen in Zaire, die zeigten, wie weit Grippesymptome fuhren konnten. Es kam zu einer ruhigen, privaten Art landesweiter Panik: Leute blieben zu Hause, prüften die Bestände in ihren Speisekammern, hockten ängstlich vor dem TV, gleichzeitig bemüht, zu verdrängen.
Wenn sich Nachbarn unterhielten, hielten sie Abstand.
Die Fallzahl erreichte die Fünfhundert kurz vor 20.00 Uhr in Atlanta.
*
Für Gus Lorenz war der Tag lang gewesen, mit Pendeln zwischen Labor und Büro. Es gab für ihn und den Stab Gefahr. Ermüdung schafft Fehler und Unfälle. Sonst war dies eine gesetzte Einrichtung, eine der weitbesten Forschungslabors, und die Menschen hier waren ruhige, geordnete Arbeitsabläufe gewohnt. Jetzt drehte alles durch. Die von Kurieren gebrachten Blutproben mußten etikettiert und getestet, die Ergebnisse an die Ursprungskliniken gefaxt werden. Lorenz kämpfte den ganzen Tag lang, um einen 24-Stunden-Dienstplan aufzustellen, aber keine Übermüdung einzelner zuzulassen. Das galt natürlich auch für ihn selbst, und als er sich für ein Nickerchen in sein Büro zurückziehen wollte, wartete dort bereits jemand auf ihn.
»FBI«, sagte der Mann und zeigte seine Marke. Eigentlich war es der örtliche SAC, ein hochrangiger Agent, der sein Büro über Mobiltelefon regierte. Er war groß, ein ruhiger Mann, den nichts so leicht aufregen konnte. In Krisenlagen, das schärfte er seinen Agenten ein, galt es erst, nachzudenken. Um Dinge zu verbocken reicht die Zeit immer, da muß es auch Zeit dafür geben, sie richtig zu machen.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte Lorenz, als er sich setzte.
»Sir, schildern Sie mir bitte kurz die Lage. Das Bureau arbeitet mit anderen Dienststellen daran, die Ursache für all dies herauszufinden.
Wir befragen alle Opfer, um festzustellen, wo sie es sich holten. Wir meinen, Sie sind der Experte für die allgemeine Situation. Wo hat das Ganze begonnen?«
Das Militär wußte nicht, wo es begonnen hatte, aber es wurde schnell ersichtlich, wie weit es gelangt war. Fort Stewart in Georgia war bloß der Anfang. Fast jeder große Army-Standort lag in der Nähe irgendeiner Großstadt. Das Personal bewohnte hauptsächlich Baracken, mit Gemeinschaftsduschen und -toiletten, und an den Standorten waren die leitenden Sanitätsoffiziere außer sich vor Angst. Am beengtesten lebte das Marinepersonal. Ein Schiff war eine abgeschlossene Umgebung.
Den Schiffen auf See befahl man, dort zu verharren, während die Lage an Land geklärt wurde. Bald stand fest, daß fast jeder größere Standort gefährdet war, und wenn auch einige Einheiten - hauptsächlich Infanterie und Militärpolizei - sich zur Unterstützung der Nationalgarde verteilten, hielten die Sanitäter jeden Soldaten oder Seemann im Auge.
Bald fanden sie Männer und Frauen mit Grippesymptomen. Diese wurden augenblicklich isoliert, in MOPP-Zeug gesteckt und mit Hubschraubern zur nächsten Klinik geflogen, das Ebola-Fälle aufnahm. Bis Mitternacht war klar, daß das US-Militär bis auf weiteres ein kontaminiertes Instrument war. Blitzgespräche nach NMCC berichteten, bei welchen Einheiten Fälle auftauchten, und auf dieser Grundlage wurden ganze Bataillone streng abgesondert. Deren Mannschaften aßen Marschverpflegung, da ihre Messen geschlossen waren, und dachten an den Feind, den sie nicht sehen konnten.
»Jesus, John«, sagte Chavez in dessen Büro.
Clark nickte still. Seine Frau Sandy war Lehrschwester an einem akademischen Krankenhaus, und ihr Leben, wußte er, könnte gefährdet sein. Sie führte eine internistische Station. Kamen Opfer, dann zu ihrer
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