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09 - Denn sie betrügt man nicht

09 - Denn sie betrügt man nicht

Titel: 09 - Denn sie betrügt man nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hilft nicht?« versetzte er bitter. »Das ist mir recht, weil es mir ziemlich egal ist, wenn es nicht hilft. Ich habe dich geliebt, Sahlah. Du hast gesagt, daß du mich auch liebst.«
    Die Umrisse der Coladose in ihrem Blickfeld begannen zu verschwimmen. Sie zwinkerte hastig und hielt ihren Kopf gesenkt. Um sie herum nahm die tägliche Arbeit des Krankenhauses ihren Fortgang. Pfleger eilten, Instrumentenwagen vor sich herschiebend, an ihnen vorbei. Ärzte machten ihre Runden, Schwestern brachten auf kleinen Tabletts ihren Patienten die Medikamente.
    Sie und Theo waren von ihnen allen abgeschnitten wie durch eine Glaswand.
    »Ich würde gern wissen«, sagte Theo, »wie lange du gebraucht hast, um dir darüber klarzuwerden, daß du Querashi liebst und nicht mich. Wie lange, Sahlah, einen Tag? Eine Woche? Zwei? Oder vielleicht war es auch gar nicht so, weil ja bei euch, wie du mir immer wieder gesagt hast, Liebe für eine Ehe nicht notwendig ist. So hast du's doch formuliert, nicht wahr?«
    Sahlah spürte das heiße Pulsieren ihres Blutes in dem Muttermal auf ihrer Wange. Es gab keine Möglichkeit, es ihm zu erklären, denn das hätte von ihr eine Wahrheit verlangt, die sie nicht preisgeben konnte.
    »Und ich würde auch gern wissen, wie und wo es geschehen ist. Du wirst mir das verzeihen, hoffe ich, denn sicher begreifst du, daß ich in den letzten sechs Wochen praktisch über nichts anderes nachgedacht habe als darüber, wie und wo es zwischen uns beiden nicht geschehen ist. Es hätte geschehen können, aber es ist nicht geschehen. Oh, wir waren nahe daran, nicht wahr? Auf Horsey Island. Selbst damals im Obstgarten, als dein Bruder -«
    »Theo«, unterbrach Sahlah. »Bitte tu uns das nicht an.«
    »Es gibt kein ›uns‹. Obwohl ich es geglaubt habe. Selbst als Querashi auftauchte - genau wie du gesagt hattest -, glaubte ich es noch. Ich habe dieses beschissene Armband getragen -«
    Sie fuhr vor dem Wort zurück. Jetzt, das sah sie, trug er das Armband nicht mehr.
    »- und immer gedacht, sie weiß, daß sie ihn nicht zu heiraten braucht. Sie weiß, daß sie ablehnen kann, weil ihr Vater sie niemals zwingen wird, gegen ihren Willen zu heiraten. Sicher, ihr Vater ist Pakistani. Aber er ist auch Engländer. In ihm steckt vielleicht sogar mehr Englisches als in ihr. Aber die Tage vergingen, es wurden Wochen, und Querashi blieb. Er blieb, und dein Vater brachte ihn mit in die Kooperative und stellte ihn uns als seinen Sohn vor. ›In wenigen Wochen wird er zu unserer Familie gehören‹, hat er damals zu mir gesagt. ›Er wird meine Tochter Sahlah heiraten.‹ Und ich mußte mir das brav anhören und gratulieren, während ich mir die ganze Zeit wünschte -«
    »Nein!« Sie konnte es nicht ertragen, dieses Bekenntnis zu hören. Und wenn er glaubte, ihre Weigerung, ihn anzuhören, bedeute, daß ihre Liebe zu ihm tot sei, so war das auch recht.
    »Ich will dir sagen, wie es nachts für mich war«, fuhr Theo fort. Seine Rede war knapp, sein Ton bitter. »Tagsüber konnte ich alles vergessen. Ich habe einfach gearbeitet bis zur Besinnungslosigkeit. Aber nachts hatte ich nichts als meine Gedanken an dich. Ich konnte nicht schlafen, und ich konnte kaum essen, aber damit konnte ich fertig werden, weil ich immer glaubte, auch du würdest an mich denken. Heute morgen wird sie es ihrem Vater sagen, dachte ich. Und Querashi wird gehen. Und dann werden wir Zeit für uns haben, Sahlah und ich, Zeit und eine Chance.«
    »Beides haben wir niemals gehabt. Ich habe versucht, dir das klarzumachen. Du wolltest mir nicht glauben.«
    »Und du? Was wolltest du, Sahlah? Warum bist du in diesen Nächten zu mir in den Obstgarten gekommen?«
    »Ich kann es nicht erklären«, flüsterte sie trostlos.
    »Ja, so ist das mit Spielen. Nie kann sie einer erklären.«
    »Ich habe kein Spiel mit dir gespielt. Was ich gefühlt habe, war echt. Ich habe mich nicht verstellt.«
    »Gut. In Ordnung. Und das gleiche hat auf dich und Haytham Querashi sicher auch zugetroffen.« Er machte Anstalten aufzustehen.
    Sie hielt ihn auf. Sie streckte die Hand nach ihm aus und schloß sie um seinen Arm. »Hilf mir«, sagte sie und sah ihn endlich an. Sie hatte das tiefe Blaugrün seiner Augen vergessen, das Muttermal neben seinem Mund, den weichen Fall seines blonden Haares. Sie war erschrocken über seine plötzliche Nähe, erschrocken über die Reaktion ihres Körpers auf diese einfache Berührung. Sie wußte, sie sollte ihn loslassen, aber sie konnte es nicht. Erst wenn

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